Sonntag, 21. Juni 2009

Ein Gespenst geht um in Deutschland


Sicherheit! Kontrolle! Um jeden Preis, komme was da wolle.

Rasen betreten verboten! Überwachung. Kameras, Zäune, Schranken, Ausweiskontrollen, Ausgangssperren (okay, das ist Stufe 2). Handschellen für alle. Fenster verrammeln! Zensiert das Internet, oder wir werden alle zu pädophilen Bombenbauern! Vorschriften! Mehr Vorschriften! Noch härtere Vorschriften! Die Urheberrechts-Piraten gefährden die Existenz der Industrie. Verklagt alle und jeden! Baut mehr Gefängnisse. Bringt die Wasserwerfer und Metallkäfige aus Heiligendamm. Alles Terroristen! Besonders die Kinder, die Amokläufer, die mit "Killerspielen" das Zielen trainieren (grandioses Beispiel für Manipulation durch Massenmedien, übrigens, Ansehen ist Pflicht falls noch unbekannt!). Ermächtigt das BKA!

Schäuble, God, and no quarter!

Alles in Ordnunkk! Hurraaaaah!


Sicherheit? Wirklich? Fragt sich nur für wen.

Ich fühle mich eingeengt und drangsaliert, weiter nichts. Ich bin hinreichend sicher dass ich an jeder Sperre vorbeikomme, die unsere liebe Regierung sich einfallen lässt, das heisst ich brauche mir um unzensierte Informationen eigentlich keine Sorgen machen. Eigentlich betrifft mich das ganze persönlich überhaupt nicht, zumindest bis S-Tunnel, VPNs und Anonymisierungsnetzwerke verboten werden. Und dann packt man die Trickkiste aus. Ich bin über 18 und darf die meisten Dinge denn letzten Endes doch, wenn es auch mehr Aufwand erfordert, weil ich beispielsweise mein neues Spiel in England kaufen muss, da man in Deutschland nur die verkrüppelte BPjM-Version (noch so ein Hassthema) bekommt.

Und dennoch... es fühlt sich an, als würde man ganz langsam in eine Plastikplane eingewickelt werden und könne nicht mehr richtig atmen, und sich nicht mehr rühren. Und man lebt ja nicht isoliert; wenn alle so drauf sind wie die Regierung kann man nur noch auswandern. Nur... wohin denn bloß? Hat mal eben jemand ein Raumschiff? Auch wenn das jetzt etwas melodramatisch kommt: so langsam kann ich den Song hier echt verstehen. Ob das wohl schon beginnende Paranoia ist?

Ich fühle mich hierzulande auch nicht mehr wirklich sicher (und das nicht weil ich Kinderpornos sehen will, kostenlos Filme oder Musik saugen will, oder übermäßig Killerspiele zocke -- die meisten Ego-Shooter finde ich totlangweilig, meine Spiele, DVDs und CDs kaufe ich mir, danke der Nachfrage, und nope, ich bin nicht pädophil). Ich fühle mich spätestens seit Donnerstag abend nicht mehr sicher, seit die große Koalition dieses infame Sperrgesetz durchgewunken hat, und selbst bei den Grünen ein Drittel aller Abgeordneten sich der Stimme enthalten hat, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, dass das Gesetz zwar technisch ein Graus ist, aber seine Intention ja im Prinzip in Ordnung. So habe ich das Statement zumindest verstanden. Danke Frau Deligöz, das Gesetz ist also "zudem technisch unzureichend, nicht sachgerecht und zu wenig spezifisch auf die Notwendigkeiten im Kampf gegen Kinderpornographie und sexuelle Ausbeutung von Kindern in Kommunikationsnetzwerken ausgerichtet", aber man kann es nicht geradeheraus ablehnen, weil ... yadda, yadda, yadda? Sorry, Sie sind unwählbar, und ziemlich peinlich. Die Schere im Kopf am Werk, und keine Ahnung wovon man redet.

Da prasseln einem momentan im Salventakt neue Meldungen darüber um die Ohren, welcher Vollspakk jetzt schon wieder ein neues Verbot fordert, ohne dass irgendein vernünftiger Mensch einen Grund dafür sehen könnte. Ok, es ist Wahlkampf, aber es ist auch sehr merkwürdig, dass Herr Schäuble sich aus der Debatte um Internetsperren gegen Kinderpornos mehr oder weniger -- und vollkommen untypisch -- heraushält, und bevor die Leiche des Art. 5 Abs. 1 GG kalt ist kommt sein Schwiegersohn daher, und fordert eine Ausweitung der Sperren auf "Killerspiele", die ja auch verboten werden sollen. Die SPD will die Sperren über ganz Europa verbreiten. Musik-, Spiele- und Filmindustrie stehen auch schon Schlange. Ach ja, und sperren wir rechtsradikale und radikalislamische Inhalte. Die BPjM soll einen Spieleversender in Österreich indizieren, der online verkauft, und zwar nur, wenn der Käufer über ein Konto oder eine Kreditkarte verfügt, was bei den meisten 12-jährigen kaum der Fall sein dürfte. Und wenn es doch mal der Fall sein sollte, dann sollten sich verf**** nochmal die Eltern darum kümmern, was ihre Sprößlinge so mit ihrem Konto und ihrem Computer anstellen, anstatt selber lieber DSDS zu glotzen und nach staatlicher Kontrolle zu rufen als sich um ihre eigene Verantwortung zu kümmern.

Führende Politiker benutzen ihre Beziehungen selbst zu ihren Ehepartnern, um ihre Position voranzubringen (Krogmann ist mit einem Bild-Chefredakteur verheiratet, Guttenbergs Frau mischt bei Innocence in Danger mit, etc.). Die SPD-Führung knüppelt einen Antrag in den eigenen Reihen auf dem Parteitag letzten Sonntag einfach mal mit der Begründung nieder, diese Diskussion wäre "medial unerwünscht", obwohl alles was der nicht ossifizierte, und nicht geriatrische Teil der SPD wollte, war, den anderen noch einmal zu erklären warum Zensur nicht gut ist, und sie zu bitten das Zensur-Gesetz nicht mitzutragen. Und am nächsten Tag ist der Antragssteller "Verlierer des Tages" in der Bild. Während kurz darauf Ursula von der Leyen "Gewinnerin des Tages" ist, mitsamt dem Tag "Frauenpower". Gut, dass Politik ein widerliches, schmutziges Geschäft ist hat man ja abstrakt schon lange vermutet, aber derart offen und ungeniert vorgelebt hat man das bisher nicht bekommen. Wenn man das nicht zum kotzen findet, braucht man eine Moralprothese.

Das muss man sich mal geben: ich fühle mich von Terroristen wesentlich weniger bedroht als von meinem eigenen Staat, und meinen gewählten Volksvertretern und ihren Handlangern und Puppenspielern. Das Gefühl ist noch auszuhalten, aber ich komme mir momentan vor wie eine Cartoonfigur, die irgendwohinläuft, krach, ein Stahlträger fällt vom Himmel, sich umdreht, boinngggg, sie bekommt einen Rechen vor den Kopf geknallt, zurücktaumelt... sie fällt in eine Grube. Sie klettert wieder raus... da rast ein Auto auf sie zu.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: dieses bornierte, vernagelte, engstirnige, sicherheits- und regelvernarrte Denken zieht sich quer durchs ganze Volk; wir waren gestern auf einer Grillparty, und ich habe dort eine alte Bekannte wiedergetroffen, die, sagen wir mal, recht konservativ ist. Als es damals um die Vorratsdatenspeicherung ging, meinte sie, sie hätte ja nichts zu verbergen und wenn es gegen Terroristen hilft, ist das doch okay. Und gestern war ihre ursprüngliche Meinung zum Zensurgesetz ein uninformiertes "ist doch gegen Kinderpornos, und damit gut... und die Gegner wollen doch sowieso nur ein rechtsfreies Internet". Ich hoffe mal, wir haben ihr klarmachen können dass dem nicht so ist. Ich muss auch zu ihrer Ehrenrettung sagen, dass ihr das Internet ziemlich egal ist. Aber scheinbar denkt der Großteil der Bevölkerung so.

Aber selbst diese Bekannte hat sich gestern über das übersteigerte Sicherheitsbedürfnis beispielsweise bei Eltern lustig gemacht. Ich kannte den Text noch nicht, aber von "Wir waren Helden" hat sie mir erzählt (okay, ich habe mir 1983 meinen ersten Computer -- von meinem Geld -- gekauft, und vorher schon bei einem Kumpel mit einem TI-99/4A rumgespielt... hey, ich bin ein Geek, und stolz darauf; aber ansonsten: full ack zu dem Text). Ein Freund von mir ist Lehrer, und zwar einer von den guten, der seine Schüler (meistens) motivieren kann, Stoff gut vermitteln kann, und auch sonst soziale Kontakte zu seinen Schülern pflegt... und der wurde zum Schulleiter zitiert, weil er es gewagt hat einer Schülerin in einer Klausur 2 Punkte zu geben. Sie hatte genau eine halbe Frage richtig beantwortet. Und die Mutter geht zum Schulleiter und beschwert sich über die Frechheit des Lehrers... und der Schulleiter drängt den Lehrer, seine "Benotung doch noch einmal zu überdenken". Irgendwas läuft hier grundfalsch. Wir sind nicht alle gleich. Wir sollten uns auch nicht gleichschalten lassen.

Ich weiss nicht was da mit uns passiert ist. Aber es ist gruselig.

Samstag, 20. Juni 2009

Niemand will chinesische Verhältnisse ... is klar

Ich bin eben beim Stöbern auf heise.de auf diesen Artikel hier gestoßen. Gut, der ist schon was älter, ging aber damals spurlos an mir vorbei. Aber ein echter Leckerbissen, sozusagen; denn er zeigt das Demokratieverständnis zumindest eines Teils unserer Politiker. Uschi, Krogmann, die Noll und Schäuble sind auch nicht weit dahinter. Wenn überhaupt. Es ist auch klar, dass das nur seine Meinung wiedergibt, aber der Mann ist immerhin zumindest in Niedersachsen ein hohes Tier.

Keine Frage, Schünemann ist, was man im angelsächsischen Sprachraum als "cerebrally challenged" bezeichnen würde, und er ist ja auch öfter als jeder andere Politiker der mir im Moment einfiele mit brachialen Aussagen und Bombastrethorik pro Unterdrückungsstaat aufgefallen, insbesondere Richtung Killerspiele, die für ihn der Grund für den Untergang des Abendlandes sind.

Aber das hier? Das ist schlimmer als die chinesische Variante, denn als Chinese kann man die Software zumindest nicht installieren, oder sollte sie schon installiert sein wenn man einen neuen Rechner kauft, dann kann man sie deinstallieren. Man macht sich damit vermutlich verdächtig, aber sei's drum. Bei Schünemanns Vorschlag käme man nicht mal ins Internet, wenn man nicht willens wäre die Software laufen zu lassen. Und er fordert, dass der Staat die Installation dieser Software zur Pflicht macht. "Schünemann räumte ein, dass es keinen hundertprozentigen Schutz gebe. Mit der Filterpflicht würde aber zumindest die Mehrzahl der deutschen Nutzer an einem Zugriff auf kinderpornografische Internet-Seiten gehindert." Ohhh kaayyy. Wir werden mal wieder unter Generalverdacht gestellt. Jeder ein Pädophilenschwein.

Mal davon abgesehen, dass das technisch ... anspruchsvoll wäre (man bräuchte die Software ja immerhin für jedes Betriebssystem -- hat mal eben jemand den Filter für RISC OS V 3? Ich hab auch irgendwo noch ne CD mit ner VM mit BeOS drauf rumfahren... und was ist eigentlich mit Surfen aus ner VM die den Netzwerkadapter des Hosts shared? VPN?) ... hat der Mann eigentlich noch ein einziges, funktionsfähiges Ganglion? Und sowas wird Innenminister von Niedersachsen? Der sollte mal lieber in seinen Schützenverein gehen und unter Gleichgesinnten ein bisschen Amok laufen.

Wir gehen jetzt nach Frankfurt auf die Demo.

Freiheit statt Angst!

Freitag, 19. Juni 2009

Das Zensurgesetz ist durch


Crivens!!!


Ich glaube ich war noch nie so, hm ... dauerwütend? Entrüstet? Entsetzt? Fassungslos? Eigentlich gibt es kein deutsches Wort für das was ich gerade bin. Überrascht bin ich nicht, es war ja absehbar, aber bisher habe ich es wohl trotz allem nicht glauben oder nicht wahrhaben wollen, wie komplett man die Damen und Herren der Großen Koalition im Bundestag pauschal in die Tonne treten kann.

Ich bin ein Mensch, der sich relativ schnell einmal über irgend etwas aufregt, und weil er das weiss dann tief einatmet, einen Schritt zurück macht, sich das ganze noch einmal ein Stückchen abstrakter anschaut, und sich dann wieder abregt, weil es letzten Endes die Aufregung dann doch nicht wert war. Das geht normalerweise ziemlich schnell. Seit gestern abend aber hat sich für mich etwas geändert. Ich glaube kaum, dass ich von dieser ... moralischen Entrüstung, die ich hier verspüre, so schnell wieder runterkommen werde. Ich habe eigentlich gestern schon etwas dazu schreiben wollen, aber ich habe mir das verkniffen weil ich sonst vermutlich ziemlich ausgetickt wäre.

Das was da gestern im Bundestag abgelaufen ist ist etwas neues, und nicht nur wegen der zynischen Manipulation von Informationen, und der Heuchelei dahinter. Es betrifft mich, direkt, persönlich und für alle Zukunft. Nicht weil ich pädophil wäre, oder mir Kinderpornos anschauen wollte. Es betrifft nicht nur mich, sondern uns alle, weil die Große Koalition gestern die Abschaffung eines der tragenden Pfeiler unserer sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung beschlossen hat -- und das aus keinem weiteren Grund heraus, als dass diverse "Personen" (um einigermaßen höflich zu bleiben) sich mit dem vermeintlichen Kampf gegen das Leid von Kindern im Wahlkampf hervortun wollen. Ich will diese Leute mitsamt ihrer Chefin ein für alle Mal aus der Politik meines Landes raushaben. Sie kamen und kommen ihrer Aufgabe nicht nach. Die haben nicht mal Hartz IV verdient. Die meisten der Scharfmacher hatten es gestern ja nicht einmal nötig, auch im Bundestag anwesend zu sein und über ihr eigenes Machwerk mit abzustimmen. Sie waschen ihre Hände in Unschuld.

Die Regierung, Frau von der Leyen und ihre willfährigen Mitblondinen, Herr von und zu Guttenberg und auch Herr Schäuble haben KEINE nachvollziehbaren und wissenschaftlich fundierten Zahlen zur Untermauerung ihrer Aussagen. Nicht eine. Die Zahlen die sie haben sind unbeweisbar und aus zweifelhafter Quelle, oder es sind bewußte Fehlinterpretationen, etwa ein Anwachsen von Kinderpornografie-Delikten allein im Jahr 2008 um 110%, die aber einer absolut ergebnislosen Massenrazzia geschuldet sind -- 12.000 Menschen, die hier anscheinend weitgehend unberechtigt verdächtigt wurden, und so gut wie keine Verurteilungen. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse zu den Ausmaßen des Kinderporno-Marktes. Es gibt keine Erkennisse über die tatsächliche Verbreitung von Kinderpornografie, es gibt keine Informationen über Ausmaß und Struktur der "Szene". Es gibt keine Erkenntnisse darüber, in welchen Ländern man Kinderpornos nicht über eine Abuse-Mail vom Netz nehmen kann, oder auch nur darüber in welchen Ländern solches Material nicht strafbar wäre. Es gibt nur sesselpupsende BKA-Fuzzies, die eine KiPo-Seite finden, nach SOP Interpol benachrichtigen, die dann Europol benachrichtigen, die dann die nationale Polizei benachrichtigen, die dann nichts mehr unternehmen kann weil der Server vor Monaten weitergezogen ist.

Und es gibt keine Garantien dafür, dass diese Sperren nicht mißbraucht werden; ja, es gibt nicht einmal ansatzweise ernsthafte Maßnahmen gegen Mißbrauch in dem neuen Gesetz... fünf wie auch immmer ausgewählte Hansels sollen einmal im Quartal stichprobenartig überprüfen, ob denn zu Recht gesperrt wird? In einem Rechtsstaat gehört kontrolliert BEVOR gesperrt wird. Und noch einmal: es wird gesperrt, nicht gelöscht. Da steht zwar ein Lippenbekenntnis im Gesetz, aber es liegt im Ermessen des BKA (das hier sowieso keine Hoheit hat), zu entscheiden was man sperrt, ob man überhaupt versucht zu löschen oder doch lieber sperrt, und ob und wie man das verfolgt. Das geht so überhaupt gar nicht. Gewaltenteilung ist die Devise, bzw. muss wieder die Devise werden.

Und diese Blondinen stellen sich dann auch noch hin und sagen: wir gehen nur gegen Kinderpornos vor -- was eine andere Regierung noch oben draufsetzt, ist nicht unser Problem. Scheinheiligkeit pur.

Die SPD hat gestern in meinen Augen ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. Ihre Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl werden vermutlich noch armseliger ausfallen als bei der Europawahl. Und das zu Recht, und es wird schlimmer werden. Eine Partei, die sich sozialdemokratisch schimpft, aber sich eigentlich jedem anbiedert, der sie potentiell wählen könnte, und niemandem wehtun möchte, hat keine Existenzberechtigung mehr. Mehr oder weniger die einzigen in der Fraktion, die man noch ernst nehmen kann sind Herr Tauss und Herr Böhning. Die SPD ist zur Polithure verkommen. Und je schneller sie weg vom Fenster ist, desto besser. Die SPD gehört aufs Altenteil, und das ist eigentlich noch zu gut für sie.

Ich gehe am Samstag demonstrieren. Meine Süsse auch. Und hoffentlich noch viele, viele andere.

Donnerstag, 18. Juni 2009

Es wird immer besser

Wirklich unglaublich... da unterzeichnen mehr als 130.000 Menschen eine Online-Petition, und das unter Angabe ihres Namens und ihres Wohnortes -- und werden im günstigsten Falle ignoriert, und in Wahrheit entweder verunglimpft und implizit mindestens als Kinderfickersympathisanten hingestellt, oder als "jugendliche Randgruppe" belächelt.

Was man dabei anscheinend übersieht... diese 130.000 sind "nur" diejenigen, die engagiert und couragiert genug sind, ihren Protest öffentlich zu machen. Die Anzahl derer, die gegen solche Maßnahmen sind, dürfte aber weit höher sein. Es gibt ziemlich viele Leute, die sagen, sie trauen sich nicht sich öffentlich dazu zu bekennen, oder denen die notwendige Registrierung für die Petition nicht zusagt.

Aber OK, machen wir uns nichts vor: sie sind immer noch eine Minderheit. Dem über 60-jährigen, bildzeitungslesenden Hauptschüler (nach Wahlstatistiken zur Europawahl kann man zumindest argumentieren, das wäre die Hauptgruppe der CDU-Wähler -- die Zahl der CDU-Wähler steigt mit dem Alter, und mit sinkender Bildung), dessen Vater auch schon immer konservativ gewählt hat, ist das Internet völlig egal. Er kennt es nicht, er benutzt es nicht. Daher sind ihm auch Internetsperren gleichgültig; sie betreffen ihn nicht. Und wenn man ihm dann erzählt, hey, da gibt es Kinderpornografie, es ist schrecklich, es wird immer schlimmer, und wir müssen jetzt sperren ... dann wird er ohne weitere Informationen und Mangels adäquater Aufklärung über die Auswirkungen und den Sinngehalt der Sperren natürlich dafür sein. So gesehen bei der Umfrage der Deutschen Kinderhilfe. Es sieht aber schon völlig anders aus, wenn man Alternativen aufzeigt und erklärt, worum es geht, was ja MOGIS eindrucksvoll gezeigt hat.

Irgendwie muß unser Protest in die Massenmedien, und zwar nicht in eine Kolumne auf Seite 9 irgendeiner Zeitung oder einen Fernsehbeitrag, der nachts um halb eins ausgestrahlt wird. Das ist leider die Öffentlichkeitswirkung, die wir bisher erreicht haben. Und damit erreichen wir nichts und niemanden.

Aber ich schweife (mal wieder ;-)) ab.

Der eigentliche Grund für diesen Beitrag ist folgender: heute sollen ja die Sperren beschlossene Tatsache werden. Das wird wohl auch so sein, die Frage ist lediglich in welcher Form.

Ich poste jetzt einfach mal einen Link. Zu mehr bin ich momentan nicht in der Lage, sonst platzt mir irgendwo eine Ader. Hier ist der Zeitplan des Bundestags dazu. Interessant sind hier die Zeit zwischen 17:40 und 18:30, die wie im Link dargestellt mit einem wichtigen gesellschaftlichen Ereignis in der Hauptstadt kollidiert (schauen wir mal wieviele Abgeordnete an der Abstimmung teilnehmen), und die Zeit von 05:35-05:40 am Freitag Morgen, bei dem die Redebeiträge lediglich zu Protokoll gegeben (sic!) werden und eigentlich gar nicht abgestimmt wird. Andere Dinge, wie etwa Ratingagenturen, Biopatentrecht, "Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten" usw. werden auf die gleiche Art und Weise abgehandelt.

Und da wundert sich noch irgendwer über Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit? Was für eine Farce.

Dienstag, 16. Juni 2009

Unter Geiern ... oder: von Feiglingen und Opportunisten

OK, sie habens getan. Die SPD ist innerhalb von nicht einmal 48 Stunden komplett umgekippt, und zwar nicht weil ihre Mitglieder sich auf dem Parteitag demokratisch entschieden hätten, den Kurs der CDU ins parzellierte, geregelte, zensierte und überwachte Internet-Kaufhausland Deutschland mitzugehen, sondern weil ihre Führung ausschließlich aus charakterlosen Armleuchtern mit Profilneurose besteht, die der Meinung sind, dass ihre persönliche Mitwirkung an der nächsten Regierung wichtiger ist als die Freiheit der Bürger dieses Landes.

Das wäre ja auch nicht einmal so verwerflich, wenn sie denn irgendetwas beizutragen hätten, wirklich glauben könnten dass sie den Karren aus dem Dreck ziehen und ihre Mitwirkung irgendwelche positiven Auswirkungen hätte. Immerhin geben sich Politik und Prostitution nicht viel, da muss man schon mal etwas machen, das man eigentlich nicht will. Aber sie haben keinerlei Konzept, wie man auf dem Parteitag am Sonntag ja auch deutlich sehen konnte: ausser "Go! Go! Go!", dem Gutreden schlechter Entscheidungen, Sich-Mit-Fremden-Federn-Schmücken und Durchhalteparolen kam da überhaupt nichts ... naja, ausser "Psssst... die Bildzeitung könnte mitbekommen, dass hier jemand gegen Zensur ist. Angst fressen Hose auf! Alle die Schnauze halten." Man kann das jetzt als Demokratie bezeichnen, da die Parteiführung ja demokratisch gewählt worden ist und das Recht hat so zu agieren... aber auf der anderen Seite, wenn ich als SPD-Mitglied nicht einmal auf einem Bundesparteitag meine Meinung äußern kann, dann kann man die Partei nur noch in den Lokus treten! Und eine Führung wählen, die mich dann hinterher ignoriert, das brauche ich auch nicht. Die geben die Pepe-Nummer, weiter nix... "nein <fuss aufstampf>, ich will aber mitregieren".

Was für ein armseliger Haufen. Man kann sie eigentlich nur noch verachten ... und irgendwo, ganz leise, ganz entfernt bedauern. Naja, immerhin besser als die CDU, die man einfach nur verachten kann.

Was ist da eigentlich passiert?

Dramatis Personae:
  • Die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Frau Dr. Martina Krogmann, ihres Zeichens Blondine von Beruf, und überdies mit Alfred Draxler, einem stellvertretenden Chefredakteur bei der Bildzeitung verheiratet, einem Menschen also, dessen Lebensinhalt die Erzeugung und Verbreitung von Gülle ist, der aber von sich behauptet, für die Reine Wahrheit(TM) einzustehen. [Update]: Das wird auch unverholen eingesetzt.
  • Martin Dörmann, stellvertretender wirtschaftspolitischer (!) Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der von der Parteispitze beauftragt wurde, die Verhandlungen mit der CDU zu führen. Hm, Moment... wirtschaftspolitischer Sprecher? Was bitte haben denn Kinderpornos mit Wirtschaftspolitik zu tun? Huh, steckt da vielleicht doch was anderes dahinter? Wer hätte es gedacht?
  • "A full chorus of Tibetans, Aliens, Americans, Atlanteans and other Rare and Strange Creatures of the Last Days" [1], die aber eigentlich nur Kulisse sind.
Und diese beiden ziehen aller öffentlichen Kritik und allen rationalen Einwänden zum Trotz -- Einwänden von ernsthaften Internetbenutzern bis hin zu ihren eigenen Experten -- innerhalb eines Tages nach dem SPD-Parteitag Verhandlungen über die Errichtung von Zensurmaßnahmen für das Internet durch, auf dass das entsprechende Gesetz (das bisher noch keiner gesehen hat; die bisherigen Entwürfe sollen ja noch einmal überarbeitet werden) schon am kommenden Donnerstag (!) verabschiedet werden kann. Ein Gesetz, das keinen sittlichen Nährwert und keinerlei Sinngehalt hat, aber absolut gefährlich für uns alle ist. Aber die Damen und Herren sind entweder zu ahnungslos um das begreifen zu können, oder betreiben das ganze mit übler Absicht.

Demokratie ist ... keine Ahnung wie. Ich hab sie ja nie wirklich erlebt, was mir erst dieser Tage so richtig klar wird. Aber hoffentlich anders.

P.S.: ein weiterer Meilenstein in Heuchelei von der CDU. Das traurige daran ist: Frau Bär ist gerade mal gute 30. Die sollte es eigentlich besser wissen. Aber nun ja, meine Ex hat beim "Recherchieren" auch immer das halbe Internet ausgedruckt (>500 Seiten in zwei Wochen, alle zwei Wochen, solange sie Zugang zu meinem Drucker hatte), und die ist im gleichen Alter. Medienkompetenz hängt halt nicht am Geburtsjahr, sondern ist Einstellungsfrage.

Montag, 15. Juni 2009

War ja klar

Nicht dass ich etwas anderes erwartet hätte, aber irgendwie frustriert mich das schon: die SPD hat Zensursulas Irrsinn auf ihrem Bundesparteitag mehr oder weniger durchgewunken. Eine kosmetische Änderung an Uschis Vorstellungen: man solle erst einmal prüfen ob man die Seiten sperren kann oder nicht, und dann Volldampf voraus in die Zensurgesellschaft.

Was mich dabei auf die Palme bringt: es gab ja durchaus einen Antrag aus dem jüngeren, medienkompetenten Teil der Partei, aber der kam nicht einmal zur Diskussion, weil der Parteivorstand eher dafür war, "den Antrag für erledigt zu erklären, da die Diskussion medial unerwünscht ist". Was für ein Haufen armseliger Lutscher. Keine Diskussion, keine Abstimmung. Und das nicht einmal innerhalb der eigenen Partei. Auf einem Parteitag! Das ist doch wirklich echte Demokratie. Statt dessen steht da ein Herr Steinmeier, der von absolut gar nichts auch nur den Hauch einer Ahnung hat, kein Profil hat und für gar nichts steht vor seinen Genossen, drischt leere Phrasen und gibt den Messias ... "Geht raus und verkündet die frohe Botschaft!". Meine Fresse. Was für ein Armutszeugnis. Metanoeite.

Da ist bei den Genossen anscheinend noch immer die Hoffnung, doch noch die Bundestagswahl gewinnen zu können, oder zumindest in einer nächsten großen Koalition mitregieren zu können. Das bestimmt ihr Auftreten, sonst nichts mehr. Populismus pur. Das wird in die Hose gehen; ich wäre überrascht wenn die SPD über 25% kommt, es würde mich nicht überraschen wenn sie bei unter 20% landet, und sie hätte eigentlich ein Scheitern an der 5%-Hürde verdient. Wenn ihr mich fragt, etwas schlimmeres als dass sich ihre Hoffnungen erfüllen kann uns kaum passieren. Noch vier Jahre, in denen die erste große Volkspartei die zweite nachäfft und doch nicht erreicht? Und das rechts von der Mitte? Danke, aber nein danke.

Da wäre mir eine SPD in der Opposition lieber, die dann vielleicht einmal nachdenken würde, warum sich die Dinge für sie so entwickelt haben, wie sie sich halt nun einmal entwickelt haben und etwas an ihrem Kurs ändert. Das politische Spektrum ist momentan dann doch entschieden etwas zu eingeschränkt für meinen Geschmack. Eigentlich müsste man in die Politik gehen, aber Kadavergehorsam gegenüber der Parteilinie bis man Bundes-irgendwas ist und es sich leisten kann eine eigene Meinung zu vertreten ist nicht mein Fall. Und ohne das landet man in ungefähr jeder Partei vielleicht einmal im Kreistag auf irgendeiner Liste, und dann nie wieder. Zeitverschwendung.

Hm, bleiben noch neue Parteien. Ich stimme zwar mit den Piraten nur teilweise überein, aber mehr als bei jeder anderen Partei, die momentan auf dem Radarschirm wäre. Leider Gottes sind die (noch) ein ziemlich unprofessioneller Haufen. Und sie haben zugegebenermaßen auch wirklich kein umfassendes Parteiprogramm, aber andererseits hatten das die Grünen am Anfang auch nicht, und professioneller aufgetreten sind sie auch nicht. Und die Piraten werden wohl kaum aus dem Stand heraus Regierungskoalitionspartner werden, von daher brauchen sie das auch noch nicht.

In dubio pro reo... schlechter machen als die etablierten Parteien können sie es auch nicht.

Von daher: Klarmachen zum Ändern!

Sonntag, 14. Juni 2009

Jesus' Junge Garde

Ich weiss nicht mehr wie ich dieses Video gefunden habe, aber ich habe jetzt eine dreiviertel Stunde mit offenem Mund, leicht angeekelt und kopfschüttelnd vor dem Rechner gesessen, und glaube es immer noch nicht. Das Video ist schon etwas älter, aber ich hatte es bisher nicht gesehen.

Das ist noch ein Stück schlimmer als Scientology, denn "The Call" missioniert und indoktriniert (eigentlich ist das schon Gehirnwäsche) Jugendliche mit dem Müll den sie da erzählen. Da wird Kindern mit allen Mitteln weissgemacht, dass das Gefühl das man bei irgendeinem intensiven Gruppenerlebnis hat, etwas mit Gott zu tun hat. Dieses Hochgefühl, diese Euphorie, das IST Gott. Gott ist mit Dir. Rockmusik zu hören, oder einen Computer zu besitzen ist falsch, das braucht man nicht, das will man nicht. Jesus ist der Retter. Homosexualität ist eine Sünde. Ebenso Sex vor der Ehe. Die Bibel die Quelle der Wahrheit und Weisheit. Die einzige. Ausser den Vorbetern bei "The Call" natürlich.

Eigentlich gehört der Verein schneller verboten als man kotzen kann. Dummerweise hilft verbieten da nicht. Man müsste sich danebenstellen und ihre Aussagen wiederlegen bis sie aufgeben und heimgehen. Nur ist ihnen ihr Anliegen leider wichtiger als es normalen Menschen ist sie zu wiederlegen. Und mit wahren Gläubigen läßt sich ohnehin nicht diskutieren; versucht man es, hält der Gläubige sich irgendwann metaphorisch die Ohren zu, singt "la-la-la" und hört nicht mehr zu ... und bedauert einen dann noch dafür, dass man das Licht und die Wahrheit nicht sieht.

Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie man einen solchen Unsinn glauben kann, egal ob mit 16 oder 60. Aber wenn die Aussage in dem Video, dass sich mittlerweile wieder ca. 1/3 der Christen weltweit als "evangelikal" bezeichnen wahr ist, dann macht mir das Angst.

Lernt die Menschheit es denn nie? (Organisierte) Religion ist der Grund dafür, dass das Abendland in einer 1500 Jahre dauernden Stagnation, in einem dunklen Zeitalter gefangen war, in einer Zeit, in der man für "anders sein" oder "anders denken", oder einfach nur für Neugier und einen Hang dazu, den Dingen auf den Grund gehen zu wollen gefoltert oder getötet wurde. Das ist natürlich heute in manchen Teilen der Welt auch noch der Fall, aber ich hatte gehofft dass wir so langsam aber sicher darüber hinauswachsen. Seit ein paar Jahren habe ich da so meine Zweifel, und die Zweifel werden stärker und stärker. Religion war und ist der Grund und die Rechtfertigung für Folter, Morde, Kriege und millionenfaches Leid. Der größte einzelne Grund jemals dafür, dass Menschen sich gegenseitig abschlachten, und beide Seiten absolut überzeugt davon sind, das Recht, die Wahrheit und Gott auf ihrer Seite zu haben. Sie können auch nichts falsch machen, denn egal welche abscheulichen Taten sie begehen -- sie tun ja Gottes Werk.

Sorry, ich kann daran nichts, aber auch gar nichts Gutes oder Erstrebenswertes finden.

Es kann ja gerne jeder glauben was er will, von mir aus auch, dass ein stinknormaler Handwerker aus Nazaret der Sohn des Schöpfers des Universums war und gekommen ist um uns alle zu retten (er mag ja ein guter, aufrechter, eindrucksvoller Mensch gewesen sein -- wahrscheinlich sogar; zumindest letzteres, sonst hätte er wohl kaum solchen Eindruck gemacht ... aber Gottes Sohn?) Und man kann auch gerne glauben, dass ein von Menschen geschriebenes, ziemlich schlecht gemachtes, zusammengestückeltes und letzten Endes unter politischen Gesichtspunkten zusammengestelltes Buch die ultimative und einzige Quelle der Wahrheit ist. Es mag der von Natur aus skeptische Naturwissenschaftler in mir sein, denn ich kann beim besten Willen nicht verstehen wie man das trotz der Unmenge an internen Widersprüchen und Entgleisungen der Protagonisten in der Bibel glauben kann, aber seis drum. Mundus vult depici.

Aber diesen Glauben soll der prospektive Missionar doch bitte daheim in seinem stillen Kämmerlein ausüben und den Rest der Welt mit seinem wirren Gestammel in Ruhe lassen. Oder er soll Beweise vorlegen, dann höre ich ihm vielleicht auch mal ein Weilchen zu. Aber ehrlich gesagt, selbst wenn es Beweise gäbe würde es mich nicht sonderlich interessieren. Ich will auch nicht gerettet werden, weil ich überhaupt nicht verloren bin. Ich weiss nicht was nach meinem Tod mit mir passiert, aber ich werds schon rausfinden. Oder auch nicht.

Bleibt zu Hause. Dankeschön.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Ein dreifach Hoch auf Verfassungsgerichte -- oder: "The content industry's caterwauling"

Da sieht man mal wieder wie wichtig ein System von "Checks and Balances" für eine Demokratie ist. In den meisten Verfassungen demokratischer Länder wird man Verfassungsrichter und kann sich danach entspannt zurücklehnen, Legislaturperioden, Lobbyisten und Wahlkämpfe ignorieren und allein nach seinem Gewissen und auf der Basis der Verfassung über die Verfassungsmäßigkeit neuer Gesetze entscheiden. Und das ist verdammt gut so. Die Leute, die diese und andere unter "Checks and Balances" zusammenzufassenden Gegebenheiten in die jeweilige Verfassung hineingeschrieben haben, wussten schon sehr genau warum sie das getan haben, auch wenn das einen Herrn Sarkozy oder einen Herrn Schäuble von Zeit zu Zeit mächtig frustrieren und ihre fundamentale Haltung gegenüber der Demokratie zu Tage fördern mag. Lieber Herr Dr. Schäuble: selbstverständlich hat das Bundesverfassungsgericht das Recht und die Pflicht, sich ihre Ergüsse anzusehen, und wenn sie verfassungswidrig sind, sie
ins Klo herunterzuspülenfür unwirksam zu erklären. Dafür ist es da, und ein dreifach Hoch darauf. Ich will mir gar nicht vorstellen wo wir heute wären, wenn niemand Menschen wie Sie aufhalten würde.

Und ebenso wie das Bundesverfassungsgericht die meisten von Schäubles faschistoiden Entgleisungen kassiert hat (und noch kassieren wird), hat das französische oberste Verfassungsgericht HADOPI (einer Behörde, die die Einhaltung von Urheberrechten im Internet überwachen soll) die Zähne gezogen. Es ist nicht verfassungsgerecht, einem jeden Franzosen nach drei nachgewiesenen Verstößen gegen das Urheberrecht den Internetzugang zu sperren.

Yay! <Strike!>

Viele Reaktionen darauf sind euphorisch, nach dem Motto "war doch klar dass das kassiert wird". War es nicht. Wir können IMHO verdammt froh sein, dass in den Verfassungsgerichten Leute sitzen, die entweder noch wirklich üble Zeiten mitgemacht haben, oder aber in Zeiten studiert haben, in denen es nicht schlimm, sondern normal war "dafür zu sein dass man dagegen ist" und so etwas wie Zivilcourage zu haben. Aber man züchtet ja bereits an der nächsten Generation, und wenn die Richter dann so unkritisch, lethargisch und desinteressiert sind wie große Teile der Bevölkerung heutzutage, dann gute Nacht!

Urheberrecht...

Mal Hand aufs Herz: wer von uns hat nicht schon einmal nach einem neuen Klingelton fürs Handy im Internet gesucht, und es musste ausgerechnet, oh, das aus Kill Bill bekannte "Twisted Nerve" oder Alex Rybaks "Fairytale" sein. Also schaut man nach ob man bei einem der üblichen Verdächtigen das Stück als Klingelton für 99 Ct. bekommt, und falls nicht, sucht man anderswo und wird fündig. Dummerweise begeht man damit einen Verstoß gegen das Urheberrecht. Jeder Blogger, der Inhalte von SPON, der Zeit oder auch nur von Bild Online zitiert, begeht eigentlich einen Verstoß gegen das Urheberrecht, zumindest wenn man den Ideen der jeweils erzeugenden Industrie folgt. Aber ist so etwas wirklich tragisch? In meinen Augen: nö. Das sind Bagatellen. Ist das schlimm für die Industrie? Yep. Ihre althergebrachten Ideen darüber, wie die Welt sein sollte, funktionieren nicht mehr.

Die Musik- und Filmindustrie jammern seit Jahrzehnten über den Untergang des Abendlandes; die Musikindustrie seit der Erfindung der Musikcassette, und die Filmindustrie spätestens seit es Videorekorder gibt. Aber haben sie sich in Jahrzehnten auch nur einen Meter bewegt? Nein -- sie trauern immer noch der Welt der 50er Jahre hinterher, in der die einzige Möglichkeit, ein bestimmtes Musikstück zu besitzen war, eine Schallplatte zu kaufen, und die einzige Möglichkeit einen Film in guter Qualität zu bekommen war, den Donald Duck Cartoon letzten Endes bei Disney zu kaufen. Klar hätten sie diese Zeiten gerne zurück ... aber sie haben 40 Jahre gebraucht, um zu merken dass diese Zeiten wohl nicht zurückkommen werden. Langsam, gaaaanz langsam, öffnen sie sich der Möglichkeit, dass ihre Konsumenten heutzutage etwas anderes wollen als dass was sie anbieten.

Diese Branchen sind die einzigen, die noch nie etwas von "Der Kunde ist König" gehört haben. Sie produzieren etwas, das der Kunde oft in dieser Form gar nicht will, und erwarten dass er dafür ziemlich hohe Beträge bezahlt.

Sicher hat jeder Produzierende von irgend etwas Kreativem ein Mitspracherecht bei der Art und Weise, wie sein Werk veröffentlicht wird, und er soll auch entlohnt werden für seinen Aufwand. Aber Tatsache ist: die meisten Kreativen haben da recht wenig Einfluß. Eine Joanne Rowling kann sich vielleicht damit durchsetzen zu sagen, dass sie ihre Bücher nicht als eBooks sehen will. (ich finde das gerade nicht wieder, aber sie hat das IIRC mal von sich gegeben als "Deathly Hallows" rauskam). Ihre Bücher sind populär genug, dass sie den Buchhändlern auch als Hardcover für 20€ noch aus den Händen gerissen werden -- aber wieviele Autoren von dem Kaliber gibt es? Rowling, Noah Gordon, Dan Brown ... noch ein paar andere in der Kategorie. Neues Buch -- automatischer Verkaufsschlager, egal wie gut es ist. Eine Stufe darunter Donna Leon, Paulo Coelho, Christopher Paolini usw., die zwar nach der Veröffentlichung eines neuen Buches immer noch ab und an Bestsellerlisten anführen, aber nicht dauerhaft darauf vertreten sind. Der Rest hat schlicht keinerlei Einfluß auf die Art der Veröffentlichung und kann froh sein wenn genug davon verkauft wird um davon leben zu können. Mal davon abgesehen, dass Frau Rowlings Sicht der Dinge schlicht dämlich ist. Sie verdient Geld damit, ihre Erzeugnisse an Konsumenten zu verkaufen, und sie sagt letzten Endes, dass sie bestimmen will wie und in welcher Form ihre Erzeugnisse angeboten werden. Hier ist also nicht der Kunde König, sondern der Dorfschreiber?

Meine Frau und ich sind beide bibliophil, und wir haben Harry Potter (bis auf den ersten Band, den ich irgendwem geliehen habe, und ich weiss nicht mehr wem... und das heisst wohl, irgendwann kaufe ich ihn ein zweites Mal) komplett im Bücherregal... zusammen mit einigen Tausend anderen Büchern. Wir haben ein ganzes Zimmer zugestellt mit Bücherregalen. Wir haben auch jeweils etliche hundert legale CDs und DVDs. Es ist einfach ein absoluter Genuss, an einem kalten, verregneten Winterabend auf dem Massagesessel im Wohnzimmer zu sitzen, ne schnurrende Katze auf dem Schoß zu haben, leise Musik zu hören, ein Glas Rotwein zu trinken, Käse oder Chorizo dazu zu essen und ein gutes Buch zu lesen. Nennt das von mir aus Kitsch -- ich hätte gerne noch einen offenen Kamin und ausreichend Brennholz dazu. Und ja, ich lese meine Bücher mehrmals; es kommt einfach nicht genug neues Material das mich interessieren würde heraus, um mich bei Laune zu halten, und ich brauche für einen normalen Roman maximal zwei Abende.

Andererseits bin ich recht viel auf Reisen, und mag daher eBooks; mein Handy ist dank 3,8" Display und Touchscreen ein ziemlich brauchbarer eBook-Reader, und wann immer ich unterwegs bin habe ich automatisch > 300 Bücher dabei. eBooks retten mir so manchen Abend in langweiligen Hotelzimmern. Aber bekomme ich Harry Potter als eBook? Nicht legal. Soifz.

Mehr oder weniger alle meine eBooks sind übrigens legal, entweder gekauft, oder so alt dass sie mittlerweile in der Public Domain sind. Baen Books, der Verlag, der viele meiner Lieblingsautoren Richtung SciFi/Fantasy veröffentlicht, ist eine der rühmlichen Ausnahmen in der Industrie und setzt seit Jahren auf eBooks. Viele ihrer Bücher habe ich sowohl physisch als auch als eBook -- dank vernünftiger Preisgestaltung, und der Einsicht, dass ein eBook, auch wenn nichts dafür bezahlt wird weil es in der Free Library ist oder sonstwie kopiert wird, Werbung für den Autor darstellt... und diese Rechnung geht auf. Ich habe etliche Serien teilweise oder komplett sowohl als eBook als auch physisch, weil ich durch die Free Library, oder die großzügig dimensionierten Probekapitel auch wenn sie nicht in der Free Library stehen, zum Kauf dieses und dann weiterer Bücher aus der gleichen Reihe animiert worden bin. Genau das gleiche ist in Sachen Musik passiert -- es gibt etliche CDs im Regal, die dort nur stehen weil ich irgendwann mal etwas von dem betreffenden Künstler gehört habe und dadurch zum Fan mutiert bin. Klingt für mich nach einem tragfähigen, soliden, modernen, intelligenten Geschäftmodell. Auf jedenfalls intelligenter als öffentlich über die bösen Raubkopierer und das fiese Internet zu jammern und nach Regulierung und Kopierschutzmaßnahmen zu rufen.

Ins gleiche Horn stoßen ja auch die Künstler, die diesen offenen Brief an Angela Merkel anlässlich des vom Bundesverband Musikindustrie initiierten "Tages des geistigen Eigentums" mitunterzeichnet haben. Unter dessen Unterzeichnern gibt es einige Künstler, die sich relativ vehement gegen das unrechtmäßige Kopieren ihrer Werke wehren. Das ist ein Stück weit auch ok. Es ist in manchen Kreisen wirklich eine Kultur eingerissen, in der mag nur kauft was man nicht anderswo bekommen kann. Das gehört bekämpft, sicher. Aber die beste Möglichkeit dazu ist, den Downloadern das was sie wollen legal anzubieten, und zu vernünftigen Preisen.

Ein Künstler wie etwa Udo Lindenberg kann sich tausendmal hinstellen, und erzählen seine neueste CD wäre ein Gesamtkunstwerk -- wenn seinem Publikum nur ein Stück darauf gefällt, und die CD 13.95€ kostet, wird sein Publikum (ausser vielleicht Hardcore-Fans) sie großenteils nicht kaufen. Punkt. Ende der Diskussion. Er kann sich also überlegen ob er etwas verkaufen will, oder eben nicht. Denn ausserhalb absoluter Fans ist der Rest der Welt nicht willens, derart viel Geld effektiv für einen einzigen Track auf der Scheibe auszugeben, und schert sich nicht die Bohne um das Gesamtkunstwerk. Bekäme man das Stück einzeln bei Amazon oder über ITunes für 99Ct., dann würde so mancher sich eher das eine Stück als MP3 (ohne DRM) kaufen, als es zu klauen.



Die meisten Menschen sind lieber ehrlich als Diebe, und die meisten wissen durchaus, dass Raubkopieren zumindest in die Richtung geht (die eigentliche Definition von Diebstahl ist, dass etwas physisch zwischen Besitzer und Dieb überwechselt, und dem Besitzer danach nicht mehr zur Verfügung steht ... und das ist hier nicht der Fall). Was sie dennoch dazu treibt, ist entweder Nicht-Verfügbarkeit als Einzelauskopplung, oder eben überhöhte Preise. Ach ja, und Kopierschutzmaßnahmen. Nichts ist ärgerlicher, als legal Musikstücke einzeln übers Internet zu kaufen, und sie hinterher nicht nutzen zu können. Ich habe das in ein paar Fällen gemacht, bevor mir klar wurde wie krass ein Kopierschutz meine Rechte einschränkt. Ich hätte die Stück damals umkopieren können, aber es war mir damals den Aufwand nicht wert. Heute wünsche ich mir, ich hätte es getan: keines davon lässt sich mehr abspielen -- entweder wegen dem neuen Betriebssystem, der neuen CPU oder dem BIOS-Update. Und das kanns ja wohl nicht sein. Nie wieder kaufe ich irgendwelche Musik mit Kopierschutz. Auch nicht auf CD. Ich will das was ich kaufe auch auf dem MP3-Player oder im Auto hören können, und zwar ohne dass ich die CD mit mir hin- und herschleppe.







Samstag, 6. Juni 2009

Jetzt ist es amtlich

Heuer hat der Wiefelspakk, äh, Dr. Dieter Wiefelspütz, seines Zeichens innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, mehr oder weniger offen zugegeben, dass es bei Zensursulas Internetsperren eben nicht nur um Kinderpornographie geht. Zitat aus der Berliner Zeitung: "Natürlich werden wir mittel- und längerfristig auch über andere kriminelle Vorgänge reden". Aha. Soll heissen, die Ausweitung etwa auf die Begehrlichkeiten eines Herrn Gorny, des Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbands Musikindustrie, ist schon in Planung. Gorny hatte diesbezüglich auch schon vor einiger Zeit Interesse angemeldet. Und ach ja, andere Gruppierungen haben auch schon Interesse angemeldet. [Update: mittlerweile behauptet Wiefelspütz auf abgeordnetenwatch.de, dass er all das ja nie gesagt, und man ihm bei der Berliner Zeitung diese Dinge in den Mund gelegt hätte... mal sehen was daraus noch wird. Seine Aussagen bzgl. Internetsperren, Grundrechten usw. in diesem Dementi klingen jedenfalls nicht im Mindesten wie seine sonstigen Ergüsse. Ob er wohl einen auf den Deckel bekommen hat?]

Bestätigt wird das letztlich auch von Wolfgang Bosbach, dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: "Ich halte es für richtig, sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie zu befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät." Hm, soll also heissen, ja, erst einmal beschränken wir uns auf Kinderpornographie, damit die Öffentlichkeit nicht mitbekommt was wir wirklich vorhaben. Aber in der nächsten Legislaturperiode ist dann Polen offen, oder wie? Dann werden Downloadseiten gesperrt, auf denen man wenigstens potentiell Filme oder Musik herunterladen kann (Rapidshare adé), Killerspielseiten sowieso, und danach alles was dieser moralisierenden, ewig gestrigen, christlich-heiligen/hypokritischen Bagage und ihren Sponsoren nicht gefällt. Die Kollateralschäden dabei, etwa, dass man von Rapidshare auch sehr viele legale Downloads herunterladen kann und diese dann mitsperrt, interessieren diese ... "ehrenwerte" Gesellschaft ... nicht.

Übrigens: was man in gewissen Kreisen so landläufig für filterungswürdig hält, findet man etwa auf den Sperrlisten der Jugendschutz-Filtersoftware JusProg: da wurden (zumindest bis dies an die Öffentlichkeit kam; danach hat man etwas "aufgeräumt", keine Ahnung wie weit das ging) etwa die Websites der Grünen und der Piratenpartei, Telepolis, diverse kritische Blogs, der AK Vorratsdatenspeicherung und die TAZ für Jugendliche gesperrt. Warum, bitte, sollte wohl ein 13-jähriger nicht auf die Website der Grünen dürfen? Bezeichnenderweise war der Bildblog gesperrt, nicht aber die Bildzeitung selbst, trotz nackter Tatsachen auf der Titelseite, und Anleitungen zu Bondage-Spielchen auf Seite 3 (solche Dinge finden sich auch auf Bild Online). Dort wird, wie das mit Sicherheit auch mit Zensursulas Sperrmaßnahmen der Fall sein wird, nicht nach festen, objektiven Kriterien entschieden was gesperrt wird, sondern allein auf der Basis von Eigennutz, der Einstellung, dem Bauchgefühl und dem Moralempfinden derjenigen die die Sperrlisten erstellen. Und sorry... das mag den Erstellern ein gutes Gefühl geben, aber sie entscheiden allein nach ihrer eigenen Meinung, und dabei kann nichts sinnvolles herauskommen. Sieht irgendwer einen Grund, warum das beim BKA anders laufen sollte? Sind Kriminalbeamten "bessere" Menschen als andere?

Weiteres Zitat von Wiefelspütz: "Es kann doch nicht sein, dass es im Internet eine Welt ohne Recht und Gesetz gibt". Huh. Der Mann ist Jurist, ein Richter a.D. -- und daher sollte ihm klar sein, dass das Internet eben _kein_ rechtsfreier Raum ist, denn alles was im "wahren Leben" illegal ist, ist das auch im Internet. Wenn unsere Polizei nicht in der Lage ist, etwa Kinderpornographie im Internet wirkungsvoll zu bekämpfen, dann liegt das daran, dass sie a.) an eklatanten Ausbildungs- und Ausrüstungsmängeln leidet, und b.) für diese Bekämpfung falsche Mittel wählt. Der Dienstweg über Interpol, Europol und die Polizeibehörden anderer Länder ist allenfalls bei klarer Beweislage zwecks Strafverfolgung sinnvoll; bei der Abschaltung kinderpornographischer Seiten führt dieses Vorgehen lediglich dazu, dass anstatt einiger Stunden bis zur Abschaltung Wochen vergehen. Klar kann man so z.B. KiPo im Internet nicht sinnvoll bekämpfen ... das liegt aber nicht am gefährlichen, unüberschaubaren Internet, sondern daran, dass man es falsch anfängt.

Wiefelspützekens Seite auf abgeordnetenwatch.de ist absolut lesenswert. Und in einem muß man ihn immerhin loben: er ist einer der aktivsten Abgeordneten auf der Site. Aber ich glaube ich bin noch nie über einen derartig arroganten, sich selbst überschätzenden und selbstverliebten Menschen gestolpert. Er legt sehr viel Wert auf Respekt vor den Mitmenschen, was sich allerdings in guten Umgangsformen und Kritiklosigkeit ihm selbst gegenüber zu erschöpfen scheint -- er hat jedenfalls keinerlei Probleme damit, unliebige Fragen zu ignorieren, die Fragesteller zu dissen, sonstwie abzukanzeln, zu beleidigen usw. Ich sage nur: Gaga, Gogo, Tralafitti. Und wenn jemand eine Frage nicht mit "Sehr geehrter Herr Dr. Wiefelspütz" beginnt, bekommt derjenige etwas wie "Mit respektlosen Menschen rede ich nicht. Guten Tag" als Antwort. Lieber Herr Dr. Wiefelspütz: Sie verwechseln hier Höflichkeit mit Respekt. Höflichkeit ist gut und schön, aber wenn jemand über irgendein Thema wirklich aufgeregt ist, muß man es ihm auch einmal nachsehen können, wenn er sie vergißt. Und Respekt -- Respekt bekommt man nicht dadurch, dass man ein Amt annimmt. Man verdient ihn sich durch Taten, und ausschließlich durch Taten. Wann tun Sie denn einmal irgend etwas, das Respekt verdient?

Wiefelspütz braucht laut eigener Aussage eben dort beispielsweise auch keine Experten oder wissenschaftliche Untersuchungen, um etwa entscheiden zu können ob Paintball vielleicht einen Einfluß auf Amokläufe hat, und das spielt auch keine Rolle, da es ja offensichtlich sittenwidrig ist und daher verboten werden muß... der Mann hält sein eigenes überkommenes, wertloses, und für den unwichtigen Rest der Welt absolut irrelevantes Werte- und Sittenverständnis für vollkommen ausreichend um die moderne Version von Cowboy und Indianer ohne weitere Beschäftigung mit dem Thema, und ohne es mal ausprobiert zu haben verbieten zu wollen. Dito, natürlich, "Killerspiele". Was für eine Hybris. Hier sind ein paar nette Zitate zu finden, die ziemlich viel über seine Geisteshaltung aussagen. Er sagte letztens übrigens auch in einem Interview (bitte das Video anschauen), "Politiker zu sein, oder Abgeordneter zu sein, ist eigentlich ein wunderbarer ... Beruf -- wenn es nicht Wahlen gäbe". Mit anderen Worten: seine Mitmenschen rumzubossen, ihnen vorzuschreiben was sie zu tun, zu lassen und zu denken haben ist cool ... wenn man sich dafür nur nicht rechtfertigen müsste. Tolles Demokratieverständnis. Der Mann sitzt seit 1987 im Bundestag, hat den Steuerzahler daher bisher mindestens 2 Mio. € gekostet, und ist jegliche ausgleichende Gegenleistung dafür nach wie vor schuldig. Und auf die Sorgen und Nöte besorgter Bürger zu irgendwelchen Themen, zu denen er sich nicht äußern möchte, antwortet er gerne mit Dingen wie sinngemäß "ich habe ein Mandat... haben Sie auch eins ? Nein ? Dann halten Sie die Schnauze. Ihre Meinung zählt nicht." Oder er hält es einfach nicht für nötig zu antworten.

Ein echter Prince Charming. Auf alle Fälle abwählen -- solche Typen braucht kein Mensch.

Dienstag, 2. Juni 2009

Ich krieg' noch ein Magengeschwür...

Ich bin kürzlich über einen Artikel auf netzpolitik.org gestolpert, der einen ziemlichen Magensäureschub bei mir ausgelöst hat. Da kommen irgendwelche Vereine her und verlangen zwecks Kinderpornographie-Bekämpfung -- anstatt sich einmal wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen -- bessere Sperrmaßnahmen gegen Kinderpornographie im Netz als die, die von der Laiens Gesetzesentwurf vorsieht. Und sie fordern, den Kindesbegriff generell auf jede Person unter 18 auszudehnen; damit wäre dann sofern man sich an das in diesem Zusammenhang gern als Vorlage zitierte UN-Geseier hält jede auch nur vage sexuell orientierte Darstellung Minderjähriger, egal in welchem Medium, verboten. Sprich, ein 18-jähriger Hobbyfotograph macht ein künstlerisches Aktfoto (meinetwegen nur Torso, und im Gegenlicht) von einer damit absolut einverstandenen 17-jährigen Freundin, die sogar noch die Erlaubnis ihrer Eltern eingeholt hat, stellt es zu seinem restlichen Portfolio ins Netz, und wäre damit Kinderpornograph. Lady Chatterley und Fanny Hill in Buchform wären Kinderpornographie, ebenso wie jeder Film, in dem eine Minderjährige auf dem Weg ins Bett mit nacktem Oberkörper kurz durchs Bild hüpft (etwa die berühmt-berüchtigte "Tatort"-Folge "Reifezeugnis" mit Nastassia Kinski). Die meisten Mangas wären Kinderpornographie. Kid Rocks "All Summer Long" oder Meatloafs "Paradise by the Dashboard Light" -- Kinderpornographie.

Wie krank ist das denn? Ist mir egal, ob das aus einer UN-Empfehlung oder irgendwelchem wie üblich sinnlosen EU-Geblubber kommt: welcher bereits halb scheintote, moralinsaure Vollpfosten auch immer sich das ursprünglich ausgedacht hat, schießt hier doch etwas über das Ziel hinaus. 16- oder 17-jährige sind vielleicht noch nicht völlig erwachsen, aber Kinder sind sie auch nicht mehr. Sie können Verantwortung für sich und andere übernehmen, und haben ein Recht auf ihre eigene Sexualität. Und man kann das "beschützen wollen" auch übertreiben.

<Einatmen, Ausatmen ... Polieren> Free Smiley Courtesy of www.millan.net

Mich deucht, von all den Argumenten der Sperrgegner ist vor allem eines bei den Befürwortern angekommen: die Sperre wäre u.a. unwirksam, weil sie so leicht zu umgehen ist, dass selbst Fritzchen Doof das mit zwei offensichtlichen Google-Suchen hinbekommt (eine darüber wie man Internetsperren umgeht, und eine nach einem freien DNS-Server). Das geht natürlich nicht! Sie wollen ja kontrollieren was man im Internet sehen darf, da kann man es den vermaledeiten Abweichlern von der Regierungslinie ja nicht so einfach machen. Da man sein eigenes Pulver schon verschossen hat, lässt man eben seine Hosentaschen-Lobby nachfordern. Die vorgeschlagenen Dinge sind immer noch umgehbar, aber man muss schon deutlich mehr Aufwand reinstecken ... von daher würden diese Maßnahmen wahrscheinlich einen Run auf VPN-Anonymisierungsdienste und dergleichen auslösen (ist die simpelste Umgehungsmöglichkeit -- und eigentlich auch die ultimative). Und dann sind wir an einem Punkt, an dem praktisch keine Strafverfolgung im WWW mehr möglich ist... herzlichen Glühstrumpf, ihr Spakken; schießt Euch selbst ins Knie. Was kommt als nächstes ? Das Internet abschaffen?

Der Rest der Argumentation der Gegner dieser Sperren wird weiterhin ignoriert, als irrelevant abgetan, oder veralbert (als wären etwa die Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit der Sperrmaßnahmen auf andere Themen als KiPo völlig albern und aus der Luft gegriffen). Wir alle sind durch die Bank überkandidelte Verschwörungstheoretiker, und wahrscheinlich sogar schwer pädokriminell, denn wir gehören größtenteils zu den vielzitierten 20%, die diese Sperren umgehen können. Liebe Frau von der Laien, der Prozentsatz liegt eher bei 95% aller Internetbenutzer, genug Interesse vorausgesetzt. Sind die alle pädokriminell? Und was ist das eigentlich für ein Wort? Der Duden kennt es jedenfalls schon mal nicht. Ein dreifach Hoch auf die sprach- und sonstige Gombedenz (oder so ähnlich) unserer Politik.

Hier noch einmal eine Zusammenfassung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, und sorry, ich habe keine Lust die Links dazu noch einmal herauszusuchen... siehe andere Posts in diesem Blog und auf jeder x-beliebigen Seite, die sich mit ähnlichen Themen befaßt):
  • das Gesetz wäre grundgesetzwidrig und verfassungsfeindlich
  • die Art und Weise wie die Sperrlisten vom BKA erzeugt und verfolgt werden sollen verstößt gegen Grundprinzipien der Demokratie wie etwa die Gewaltenteilung, und ist nicht kontrollierbar
  • die Gefahr eines Mißbrauchs der Sperren zwecks Zensur ist sehr hoch. Es kann keine Rede davon sein, dass in den Ländern, in denen ähnliche Sperren heutzutage schon implementiert sind ausschließlich kinderpornographisches Material gesperrt wird, wie das so gerne von Befürwortern behauptet wird, auch wenn das die (vielleicht) ursprüngliche Intention war. Im Gegenteil, in den meisten Fällen waren > 90% der gesperrten Seiten absolut legal und hatten nicht einmal unter Anwendung der obigen kranken Definition von Kinderpornographie auch nur Ansatzweise etwas mit KiPo zu tun; das Sperren kritischer Seiten u.ä. ist an der Tagesordnung; in Australien war anscheinend gar die Website einer auf Kinder spezialisierten Zahnklinik -- warum auch immer -- auf der Sperrliste. In Italien sind knallharte wirtschaftliche Interessen dahinter: ein ziemlich großer Teil der gesperrten Seiten haben nichts mit KiPo zu tun, sondern mit Online-Glücksspiel. Noch dazu ist hierzulande kein Weg vorgesehen, wie eine zu Unrecht gesperrte Seite wieder "entsperrt" werden könnte. Die Beamten, die definieren was sperrwürdig ist sind genauso Menschen wie jeder andere auch, sie haben ihre eigenen Vorurteile, und diese werden zwangsläufig beeinflussen was gesperrt wird. Ein homophober oder auch nur von abstrusen ultrachristlichen Moralvorstellungen stark geprägter Beamter wird Gay-Porn Sites abstossend finden und sie sperren, auch wenn sie nicht illegal sind. Und wenn derjenige etwas gegen Gartenzwerge hat, wird er Seiten mit Gartenzwergen sperren. Ihn kontrolliert ja niemand. Und da wäre dann noch das Problem mit Befehlen "von oben", die ihn anweisen irgend etwas auf die Sperrlisten zu setzen.
  • die Sperren verhindern, auch laut offiziellen Stellen in Ländern die das heute schon praktizieren, in keiner Weise die Erzeugung, Verbreitung oder den Konsum von KiPo. Es kann keine Rede sein von "erfolgreichem Einsatz" in anderen Ländern; da werden zwar "Clicks" abgefangen, aber niemand weiss woher die kommen (Suchmaschinen, z.B.?), und weder verringert sich die Anzahl der Seiten, noch erfolgt sonst irgendeine Reaktion. Mal davon abgesehen, dass ja ein großer Teil der abgefangenen Clicks nicht auf KiPo-Seiten zugreifen, weil eben 90% der gesperrten Seiten nichts mit KiPo zu tun haben. Vor diesem Hintergrund von 50.000 Clicks am Tag zu reden ist schlicht ebenso unlauter wie der Bevölkerung zu suggerieren, dass da ein Massenmarkt existiert. Wenn dem so ist: wo bitte sind die Untersuchungen, die das belegen? Da kommt aus Regierungskreisen sowie von den sie umkreisenden Befürwortern nichts ausser unbelegten, nicht bewiesenen und teilweise schlicht unhaltbaren willkürlichen Zahlen.
  • man kann sich unabsichtlich und unbemerkt strafbar machen, indem irgendwer auf irgendeiner Website geeignete Maßnahmen plaziert, die dann im Hintergrund auf einen gesperrten Server zugreifen ... und solche Maßnahmen sind im Web an der Tagesordnung. Da reicht sogar ein 1x1 Pixel großes, unsichtbares GIF-Bild, das vom KiPo Server nachgeladen wird. Nur um das mal völlig klarzustellen: wenn der nette "Tröst"-Smiley oben in diesem Beitrag auf einer gesperrten Seite gehosted wäre, hätte sich der geneigte Leser eben ins Blickfeld der Strafverfolgung gebracht. Und selbst wenn dem nicht so wäre -- dieser Link ist zumindest auf den ersten Blick nicht von dem hier zu unterscheiden, selbst wenn die Url dahinter in diesem Falle eindeutig ist. Und selbst wenn man vor einem Click auf einen Link erst einmal die Url kontrolliert (was wohl in den seltensten Fällen stattfinden dürfte): einer Url sieht man nicht unbedingt an wohin sie führt; www.benjamin-bluemchen.de könnte theoretisch durchaus auf eine KiPo-Seite zeigen.
  • hier soll die Unschuldsvermutung ausgehebelt werden, da die Strafverfolgung gelinde gesagt Schwierigkeiten hat, irgend etwas zu beweisen (siehe Operation Himmel: 12000 Ermittlungsverfahren, die 2008 zu den Laienhaft vielzitierten 110% Wachstum an KiPo-Fällen führen, x Mannjahre Arbeit, weiss der Geier wie hoch der finanzielle Aufwand war ... und das Ergebnis lässt sich soweit Informationen bisher vorliegen mehr oder weniger unter "zippo, zilch, nada" zusammenfassen). Und wie ein harmloser Surfer nach einem halben Jahr noch beweisen soll, dass er nichts "böses" gemacht hat, das weiss kein Mensch. Das BKA steht für wirtschaftliche Schäden durch diese Maßnahmen gerade? Fein, falls sie das tatsächlich durchziehen. Nur: was ist mit dem gesellschaftlichen Schaden durch Rufschädigung, wenn die Polizei wegen Verdachtes auf Besitz von Kinderpornographie vorbeikommt, mit 11 Mann eine Hausdurchsuchung durchführt und die Rechner beschlagnahmt, auch wenn sich hinterher herausstellt, dass der Verdacht unbegründet war -- dieses gesellschaftliche Stigma wird man nie wieder los, auch nicht wenn sich später herausstellt, dass man unschuldig war.
  • es besteht keine Gefahr eines "Anfixens" beim Ansehen solcher Bilder oder Videos, da man die entsprechenden Neigungen entweder hat, oder eben nicht. Man findet als normaler Mensch solche Bilder/Filme nicht plötzlich nach dem dritten Mal anschauen aufregend.
  • es gibt nur recht wenig KiPo im WWW, und das was es gibt sollte man besser komplett entfernen als nur für Fritzchen Doof verstecken -- und das geht auch international, siehe Carechild bzw. die kürzliche Aktion vom AK Zensur. Die weitaus meisten Server dieser Art stehen eben nicht in Tadschikistan, sondern in westlichen Industrienationen -- und das aus einem sehr einfachen Grund: ein Bild- oder noch viel mehr ein Videoportal braucht kräftige Server und eine gute Internetanbindung, und beides ist in Tadschikistan entweder gar nicht verfügbar oder sehr teuer. In Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, den USA etc. dagegen sind solche Server preiswert verfügbar. Und in diesen Ländern ist ohne Ausnahme Kinderpornographie illegal und gesellschaftlich geächtet, also lassen sich solche Seiten im Allgemeinen mit einer eMail an den Abuse-Account des Providers in kürzester Zeit abschalten.
  • das Zeug ist nicht so leicht zu finden, jedenfalls nicht ohne hartnäckige Suche oder Einladung per Spam-Mail; es gibt keinen KiPo-Massenmarkt, schon gar nicht einen, der Millionenumsätze macht.
  • KiPo wird i.A. nicht aus Profitgründen, und nicht für das WWW hergestellt und generell anders vertrieben, daher bringen Sperren nichts um die Produktion zu verhindern.
und last, but certainly not least:
  • Von der Leyens Vorschläge schützen weder Leben noch Gesundheit, und schon gar nicht die Würde der Kinder. Vielmehr gleicht ihr Vorhaben dem Verhalten der Mutter in einer betroffenen Familie, die zwar den starken Verdacht hat, dass sich da irgend etwas seltsames zwischen ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter abspielt, aber es nicht so genau wissen will und deshalb wegsieht. Die Sperren sind wie der Versuch, einen Mantel des Schweigens (a.k.a. Stopschild) über die Dokumentation des Mißbrauchs zu breiten ... seht nicht hin, das ist schrecklich. Und wir reden hier über die Dokumentation des Mißbrauchs, nicht den Mißbrauch selbst. Der geht ungestört weiter. Und selbst die Dokumentation bleibt im Netz verfügbar, nur eben nicht für Fritzchen Doof, der die Sperre als einziger nicht umgangen hat. Besser wäre es, die Server komplett vom Netz zu nehmen, mehr Polizisten mit der Fahndung in diesem Bereich zu betrauen und sie auch dementsprechend auszubilden, mehr Schul-/Kindergartenpsychologen einzustellen und sie und die Lehrer/Betreuer so zu schulen, dass sie Mißbrauchsopfer zuverlässiger erkennen, und zu guter Letzt die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, auf dass sie Alarm schlage wenn irgendwem etwas auffällt (wir leben nun mal leider in einer "Schaut weg"-Gesellschaft). Aber das würde ja Geld kosten, für Informationskampagnen, neue Beamte, neue Psychologen etc. -- das KiPo-Sperr-Gesetz dagegen kostet die Regierung so gut wie gar nichts (von den paar Beamten beim BKA, die die Listen erstellen abgesehen). Der Rest der Kosten wird auf die Internetprovider, und damit auf deren Kunden -- also uns -- abgewälzt. Und wir sollen da für etwas zahlen, das nicht nur nichts bringt und absolut uneffektiv ist, sondern im Gegenteil kontraproduktiv und potentiell für uns selbst gefährlich.
An sich sind diese Argumente im Vergleich zu "die Sperren sind leicht zu umgehen" die weitaus wichtigeren, und sie sind absolut fundiert. Dennoch werden sie weitgehend ignoriert, zumindest von der Regierung. Und immerhin: diese Regierung hat bereits mehrfach nachweislich gelogen, verschleiert oder ihre Versprechen nicht gehalten (etwa in Sachen Vorratsdatenspeicherung) ... und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Aber offenbar schaltet das Wort "Kindesmißbrauch" bei vielen Menschen das Gehirn aus, anders ist diese Aktion von Kinderschutzvereinen, Erzieherverbänden usw. nicht erklärbar. Beim Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V. liegt der Fall natürlich ganz anders -- die haben eine andere Agenda. Hm, wäre mal interessant sich anzuschauen wer jeweils im Vorstand dieser Vereine sitzt -- siehe Innocence in Danger (bei dem die Gattin unseres Bundeswirtschaftsministers bekanntlich eine große Rolle spielt).

[Update: ein paar hab ich gefunden... Gerhard Schröders Ehegattin, ein Ex-Staatsekretär von der CDU, jemand der u.a. auch gegen Gewaltvideos und Killerspiele (natürlich aus Tauschbörsen) ist und diese zensieren will ... Nachtigall ick hör' Dir trapsen. Kurz: Lobbymitglieder, und keine deren primärer Focus auf Kinderschutz liegen würde]

Oh brave new world, that has such people in it

Freitag, 15. Mai 2009

Zitat von Dietrich Bonhoeffer

Was habe ich Dietrich Bonhoeffer in meiner Schulzeit nicht gehasst. Naja, nicht den Mann selbst; er war ein aufrechter, achtungswürdiger und ernstzunehmender Mensch und stand bis zum bitteren Ende für die Dinge ein, an die er glaubte. Das ist ein ziemlich hohes Lob, das nur sehr, sehr wenige verdient haben. Das kann man nur bewundern, und ich kann nur hoffen, dass ich selbst in einer ähnlichen Situation wenigstens ansatzweise derartig viel Format hätte.

Aber ich hasste die Tatsache, dass sein Leben und Werk -- und sein Tod -- vermutlich die am häufigsten wiedergekäute Materie in meiner gesamten Schullaufbahn war. Das wird so wahrscheinlich nicht stimmen (ist ja schon was her), aber es kommt mir vor als wäre das spätestens ab der 8. Klasse oder so jedes Jahr durchgenommen worden, entweder in Religion, Geschichte oder Politik, und teilweise in verschiedenen Fächern mehrfach pro Schuljahr. Und irgendwann konnte man es einfach nicht mehr hören. Ich habe seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht. Umso überraschter war ich, als ich gerade auf folgendes Zitat von ihm stieß, das ich aus aktuellem Anlass sehr, sehr treffend finde:

"Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit.

Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden - in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht."

Gut, der Mann. Der hatte es erfaßt.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Und so fängt es an...

In all den doch recht erhitzten Diskussionen die zur Zeit im Internet und an den Stammtischen zum Thema Kinderporno-Sperren ausgetragen werden, bringen Befürworter der Sperren eigentlich immer die gleichen drei Thesen (ich habe bisher auch soweit ich mich erinnern kann noch keine anderen gehört):
  • klar kann die Sperre von Experten umgangen werden, aber man muß doch irgendwas tun, um die Kinder zu schützen, und als anständiger Mensch gibt man ja wohl zu diesem Zwecke selbstverständlich gerne ein bisschen Freiheit auf. Selbst eine beinah wirkungslose Sperre ist besser als gar keine. Und wenn nur ein Kind gerettet werden kann, hat sich das alles schon gelohnt.
  • wer diese Sperren nicht befürwortet muß wohl pädophil sein, seine persönliche Freiheit über das Wohl unserer Kinder stellen, oder ein Verschwörungstheoretiker sein (das muß man sich sogar in der ersten Lesung zum Thema im Bundestag von Michaela Noll öffentlich um die Ohren hauen lassen. Anmerkung: Ingo Wellenreuthers "Beitrag" war übrigens auch interessant -- der Mann hat offenbar da draussen Statistiken entdeckt, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat <dschumm... die Enterprise fliegt vorbei> ... der KiPo-Markt macht also 5 Mrd. € Umsatz? Wo lebt der Mann eigentlich -- auf ch'Rihan? Und trinkt er den ganzen Tag romulanisches Ale, oder neigt er ganz einfach zu Halluzinationen?)
  • Deutschland ist ein Rechtsstaat und eine Demokratie, und natürlich ist hierzulande kein Mißbrauch solcher Sperrmaßnahmen denkbar. Auch wenn hier die Gewaltenteilung aufgehoben, und die Unschuldsvermutung abgeschafft werden soll. Es macht ja unsere über alle Zweifel erhabene Polizei. Daher ist das alles vollkommen in Ordnung. Und Kritiker sollen gefälligst die Schnauze halten; siehe These 2. Und dann These 1.
  • q.e.d.
Zu These 1: dass die Sperren hinsichtlich der Eindämmung von Kinderpornographie absolut unwirksam sind und kein Kind retten, ganz und gar nicht "nur von Experten" umgangen werden können, und dass der postulierte Kinderporno-Massenmarkt in der von der Regierung vertretenen Form gar nicht existiert, darüber haben sich schon sehr, sehr viele Leute ausgelassen. Ebenso wie über die Tatsache, dass von der Leyen und Konsorten zur Untermauerung ihrer Thesen alle möglichen unzusammenhängenden Dinge in einen Topf werfen, umrühren, das Ganze totkochen und dann so lange auf den Topf eindengeln bis das Ergebnis genausogut einem Origami-Reiher ähneln könnte.

Die zweite These ist schlicht eine Unverschämtheit. Aber sie zeigt wie massiv die Meinungsmache gegen die Gegner dieser Sperren ist, die auch schon erste Wirkungen zeigt: auf epetitionen.bundestag.de kann man ja aktuell eine Petition gegen die Indizierung und Sperrung von Internetseiten mitzeichnen. Das schlimme ist: es gibt doch tatsächlich bereits in einigen Foren Beiträge, die davor warnen, seiner politischen Meinung Ausdruck zu verleihen und diese Petition mitzuzeichnen... und zwar aus Angst vor Konsequenzen, aus Angst davor, ins Blickfeld der Strafverfolgungsbehörden zu geraten! Huh... was ist nur aus Zivilcourage geworden? Das macht mir Angst... was sagt das denn über die Geisteshaltung unserer Gesellschaft aus? Ich finde etwas, das die Politik vorhat, grundfalsch ... und unternehme nichts, weil ich Angst habe? Wo leben wir eigentlich? In der DDR?

Und was die dritte angeht: Herr Stadler von der FDP hat es in der oben genannten Lesung sehr gut auf den Punkt gebracht: "Allein -- uns fehlt der Glaube." Diese Sperrmaßnahmen sind absolut geeignet, großflächig das Internet zu zensieren. Und wenn diese Sperren erst einmal geschaffen worden sind, wird man sie frei Schnauze einsetzen. Warum sollte das hierzulande anders laufen als in Dänemark, Australien oder Finnland... das sind ja nun auch keine totalitären Bananenrepubliken? In Finnland waren übrigens bis auf <1% mit wirklicher Kinderpornographie und möglicherweise 2-3% grenzwertigem Material -- je nach Definition -- alle auf der Sperrliste enthaltenen Seiten legal. Dazu kamen noch einmal < 5% Seiten mit minderjährigen Models, bei denen aber keine Nacktheit oder gar sexuelle Handlungen im Spiel waren. Und noch einmal 8% Seiten, die nicht mehr online sind und daher nicht überprüft werden können. Aber selbst wenn wir vermuten, dass diese 8% alle kinderpornographische Inhalte hatten (was sehr, sehr unwahrscheinlich ist), bedeutet das, dass Finnland zu mindestens 85% legale Seiten sperrt! Die Vorratsdatenspeicherung wird ja nun wohl auch nicht so restriktiv genutzt wie es uns damals versprochen worden ist. Das riecht nach Lobbyarbeit am Werk: mal sehen wann PirateBay auf der Liste landet.

Aber niemand hat vor, das Internet zu zensieren; und es geht ja nur um Kinderpornographie?

Ist klar, Frau Noll Free Smiley Courtesy of www.millan.net.

Der Pantoffelpunk hatte auf pifo.biz bis vor drei Tagen eine Satireseite gehostet, die man mit einer beliebigen Url aufrufen konnte, die dann "scheinbar" vom BMI gesperrt wurde. Offenbar hat das im Innenministerium irgendwem nicht gefallen, denn jetzt kommt der Knaller: das BMI hat beim Hoster der Seite verlangt, dass diese Seite vom Netz genommen wird ... und der Hoster hat dem Folge geleistet. Vorgebliche Begründung: Nachahmung der Seite des BMI. Komisch, die sieht doch ganz anders aus? Und die Inhalte auf der Satireseite findet man nie im Leben auf der Seite des BMI, das auch ganz sicher nicht unter pifo.biz zu erreichen ist. Wie bitte kann denn so etwas die BMI-Seite nachahmen? Da hat irgendein humorfreier Beamtenschnarchnasenseppel sich ans Bein gepißt gefühlt und nicht verstanden, was Satire ist -- oder das Thema der Satire ging ihm gegen den Strich. Und wenn mir jemand mit der "Würde" des BMI kommt... die flog spätestens aus dem Fenster als Schäuble Innenminister wurde.

Und so fängt es an: wenn das keine Zensur ist, dann weiss ich auch nicht. Das, was in unserem tollen Rechtsstaat angeblich nicht möglich sein soll. Und sehr seltsam: in solchen Fällen reicht ein formloser Brief, der noch nicht einmal von einer Polizeibehörde oder einem Gericht stammt aus, um die entsprechende Seite vom Netz zu nehmen. Warum geht das denn bei Kinderporno-Seiten nicht, so daß man die hinter einem Vorhang verstecken muß, anstatt sie vom Netz zu nehmen? Carechild hat bewiesen, dass das sogar international funktioniert ... und wenn eine private Organisation das hinbekommt, sollte es für unsere wackeren Streiter im BMI und anderswo doch ein Leichtes sein, das gleiche zu tun?

Dienstag, 5. Mai 2009

Kinderpornographie -- und wie man sie (nicht) verhindern kann

Laut Frau von der Leyen schwappt ja anscheinend gerade eine Riesenwelle von Kinderpornographie auf uns zu; die Anzahl der Aufrufe auf den einschlägigen Seiten gehen angeblich steil nach oben. Ich finde das sehr seltsam... sind plötzlich große Teile der Bevölkerung zu Pädophilen mutiert, oder haben die Pädophilen die letzten 10 Jahre unter irgendwelchen Steinen Winterschlaf gehalten und jetzt erst das Internet entdeckt?

Ihre Quellen sind eher zweifelhaft, und ihre Zahlen beruhen auf einer gewollt verdrehten Interpretation von Statistiken des BKA (vgl. diesen Heise-Artikel). Selbst die ebenfalls fragwürdige Internet Watch Foundation (IWF) hat in ihrem aktuellen Jahresbericht eingeräumt, dass die Zahlen eher rückläufig sind. Und deshalb muss man Deutschland unter Internet-Quarantäne stellen. Komisch, oder?

Es gibt sicherlich Kinderpornographie im Internet, wenn man nur hartnäckig genug danach sucht. Nur, was ist Kinderpornographie eigentlich? Die Vergewaltigung 3-jähriger, sicherlich. Aber ist "Zärtliche Cousinen" einfach nur schwülstiger Schund oder Kinderpornographie? Muß man wegen eines damals 32 (!) Jahre alten Plattencovers von den Scorpions, das wirklich absolut nichts schlimmeres (dank des Sprungs in der Glasscheibe sogar weniger) zeigt, als man jeden Sommer am Baggersee zu sehen bekommt, tatsächlich Wikipedia sperren? Und sollte das Mädel von damals tatsächlich bei den Aufnahmen seelischen Schaden erlitten haben... hilft Ihr die Sperrung von Wikipedia heute dann noch? Mit Anfang, Mitte Vierzig?

Die Frage die sich mir bei all diesen Vorgängen vor Allem stellt, ist ob hier nicht eine Hexenjagd mit allen ihren Auswüchsen im Gange ist. Ob das alles denn wirklich ein so großes Problem darstellt, dass dagegen eine Infrastruktur für eine pauschale Internetzensur aller Internetbenutzer Deutschlands gerechtfertigt erscheint. Und was diese Infrastruktur bringt, um das Problem einzudämmen.

Wie funktioniert die Kinderporno-Sperre (nicht) ?

Technisch betrachtet werden Computer im Internet immer über ihre IP-Adresse angesprochen, das ist quasi ihre weltweit eindeutige Telefonnummer. Eine IP-Adresse sieht etwa folgendermaßen aus: 195.71.11.67. Vier Bytes ... vier Zahlen zwischen 0 und 255 getrennt durch jeweils einen Punkt (was so nicht ganz richtig ist -- es sind nicht alle beliebigen Zahlenkombination zulässig; aber lassen wir es der Einfachheit halber dabei). Diese Adresse reicht aus, um einen Rechner eindeutig zu identifizieren und anzusprechen.

Eigentlich sind die gut lesbaren Websitenamen, die man so kennt, wie etwa "www.spiegel.de" oder "www.google.de" für das Zustandekommen von Verbindungen im Netz vollkommen unnötig; angesprochen werden die Seiten vom Browser tatsächlich immer über deren IP-Adresse. Nur sind diese Adressen für Menschen schlecht merkbar und haben keinerlei Wiedererkennungswert; daher die Erfindung des DNS (=Domain Name Service), dessen Aufgabe es ist, diese Adresse in einen mehr oder weniger leicht merkbaren Namen zu übersetzen (bzw. eher umgekehrt, aber DNS erfüllt beide Aufgaben). Die obige IP-Adresse beispielsweise gehört zu www.spiegel.de, was man sich deutlich leichter merken kann als die Adresse selbst. DNS ist also so etwas wie die Telefonbuchfunktion eines Telefons... hey, ich will zu Spiegel Online => 195.71.11.67. Diese Namensauflösung, d.h. die Übersetzung von Namen in IP-Adressen, geschieht für den Benutzer vollkommen transparent im Hintergrund, und verwendet dazu einen DNS-Server. Ein DNS-Server besteht quasi aus einer Datenbank, in der steht welche IP-Adresse eine beliebige Website hat, und das gilt für den Großteil der im Internet erreichbaren Server. Wichtig dabei ist noch, dass die eigentlichen, im Web übertragenen Daten nie über den DNS-Server fließen; er dient nur dem Verbindungsaufbau. Das ist also keine geeignete Stelle um festzustellen, ob ein potentieller Übeltäter eine Straftat begeht ... man kann allenfalls feststellen auf welche Seiten er geht, nicht was er dort macht.

Da so gut wie jeder Verbindungsaufbau im Internet erst einmal über einen DNS-Server läuft, gibt es zwecks Redundanz und Lastverteilung sehr viele davon, die sich gegenseitig Adressänderungen und -neuzugänge mitteilen (auch das ist ein wenig vereinfacht dargestellt, reicht aber für unsere Zwecke hier aus). Jeder Internetprovider hat normalerweise mehrere eigene DNS-Server, die dem Kunden (bzw. seinem Router oder Computer, wenn er keinen Router verwendet) standardmäßig beim Verbindungsaufbau mitgeteilt werden, und über die seine Namensauflösung dann läuft, wenn er nichts anderes einstellt.

Und hier setzt von der Leyens Initiative an: sie möchte dass die Internetprovider ihre DNS-Server so verändern, dass sie bei einem Request für eine der gesperrten Seiten nicht mit der IP-Adresse des angeforderten Servers, sondern mit der IP-Adresse einer Seite des BKA antworten (d.h. sie will quasi das Telefonbuch so manipulieren, dass wenn man eine Kinderporno-Seite ansteuert die 110 zurückkommt). Auf dieser Seite ist ein Stopschild zu sehen, auf dem der Surfer informiert wird dass er gerade eine illegale Seite aufrufen wollte. Zusätzlich wird dann die IP-Adresse des Surfers mitgeloggt, und Dank Schäubles Vorratsdatenspeicherung (die war doch ausschließlich zur Terroristenverfolgung gedacht, oder?) kann dann in aller Ruhe auch noch ein halbes Jahr später ermittelt werden, wer der üble Finsterling wirklich ist. Das ganze ist übrigens schon beschlossene Sache, zumindest vertraglich geregelt ist das mit vielen Providern auch schon, und soll so schnell wie möglich in ein Gesetz gegossen werden. Und man denkt darüber nach, das ganze auch auf Seiten auszuweiten, die nur mittelbar auf Kinderpornographie verlinken. Unten in diesem Artikel ist ein Link auf wikileaks.de, diese Seite hat die Sperrlisten Australiens veröffentlicht, die ja unter anderem Links auf KiPo-Seiten enthalten, und damit dürfte dann völlig legal auch dieser Blog gesperrt werden. Ach ja, und alle anderen, die evt. auf ihn verlinken. Und spätestens 2 Ebenen darüber dann die komplette blogspot.com-WebSite.Geht's noch?

Klingt doch eigentlich folgerichtig zur Bekämpfung von Kinderpornographie ?

Nun ja, das Verfahren hat einige Probleme:
  • Die Listen mit zu sperrenden Servern sollen nach von der Leyens Willen vom BKA erstellt werden. Sie sollen für die Internetprovider verplichtend sein (sprich, sie müssen alle darauf enthaltenen Seiten sperren), und sie sollen geheimgehalten werden. Das macht in so fern Sinn, dass man ja nicht Pädophilen Listen voller Kinderpornoseiten frei Haus liefern will. Aber wer kontrolliert das BKA dabei, welche Websites es auf diese Listen packt? In von der Leyens Vorstellung: absolut niemand. Und was passiert, wenn den Beamten die die Liste erstellen "von oben" jemand befiehlt, eine bestimmte Seite auf die Liste zu packen, die nichts mit KiPo zu tun hat aber deren Inhalt ihm oder seinen Golfkumpels nicht passt? Was passiert, wenn das nicht eine Seite ist, sondern Tausende? Oder was, wenn der betreffende Beamte ein erzkonservatives, fundamental-christliches CDU-Mitglied ist, und schlicht etwas gegen Linke, Grüne, Schwule, Ausländer und Killerspieler hat? Gute Frage.
  • Nein, selbstverständlich ist da kein Missbrauch denkbar; beim BKA arbeiten schließlich nur elde Streiter für das Gute. Und in der Politik auch. Jo, ist klar. Aber was wenn da unter all den Obi-Wans doch ein Anakin oder gar ein Palpatine ist? Da gehört mindestens noch ein parlamentarischer Kontrollausschuß mit Vertretern aller Parteien vorgeschaltet, dem außerdem noch jemand völlig unabhängiges und generell zensurkritisches angehören sollte. Jemand, der im Gegensatz zu den Damen und Herren in der Politik weiß wovon er in dieser Hinsicht redet, vom CCC oder der Piratenpartei, meinetwegen, und der Bundesdatenschutzbeauftragte (zumindest so lange der so kritisch ist wie Peter Schaar ... Kudos, übrigens, weiter so!). Auf diesen Listen darf nichts landen, was nicht einstimmig beschlossen wird, und es dürfen ausschließlich kinderpornographische Inhalte darauf. Und als besorgter Bürger möchte ich diese Listen zumindest auf Antrag einsehen dürfen. Ich fahre dafür auch gerne nach Wiesbaden, wo ich dann ebenfalls gerne unter Aufsicht Stichproben mache. So könnte ich mit der Regelung notfalls leben (wenn ich mir auch noch immer Sorgen um den nächsten Adolf machen würde, der seine Zensurinfrastruktur dann quasi "erbt"). Aber so wie es geplant ist? Nope. Never, ever.
  • Es wird massiv Meinungsmache gegen alle und jeden betrieben, die diese Maßnahmen für unklug, wirkungslos oder übertrieben halten -- als wäre jeder der hier Bedenken hat ein Pädophiler.
  • Es gibt Länder, die dieser Praxis heute schon folgen. Australien, Schweden und Dänemark, unter anderem. In allen diesen Ländern sind die entsprechenden Listen, oder zumindest etwas ältere Versionen davon irgendwann im Internet aufgetaucht. Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das in Deutschland auch passieren wird: irgendwer, bei irgendeinem Provider, wird sie anonym veröffentlichen, was zu Kontrollzwecken ja eigentlich auch gut und richtig ist. Dummerweise hat man den smarteren Pädophilen dann u.U. ein wunderbares Geschenk gemacht.
  • In all diesen Ländern geben offizielle Stellen zu, dass das ganze eigentlich keine Wirkung hat.
  • In Schweden und Dänemark basiert das ganze auf einem Vertrag zwischen Staat und Internetprovidern, den manche Provider auch einfach nicht unterschrieben haben (was ihr gutes Recht ist); ähnlich dem was hierzulande gerade läuft. Wichtig dabei ist wieder die Meinungsmache: die nicht unterschreibenden Provider werden implizit in die Pro-Kinderporno-Ecke gestellt. In Australien ist es Gesetz, was es nach von der Leyens Willen auch hierzulande noch vor der Sommerpause werden soll. Damit wären dann Deutschland und Australien die beiden einzigen Länder, die von sich behaupten eine Demokratie zu sein, aber ein gesetzlich vorgeschriebenes Zensursystem für das Internet à la China eingeführt haben. Ein System, das sich zwar angeblich gegen Kinderpornographie richtet, das aber auch -- ich wiederhole das noch einmal -- vollkommen unkontrolliert von dritter Seite arbeitet. Und das ist der eigentliche Kritikpunkt dabei. Niemand kann sich sicher sein, oder erfährt auch nur, welche Seiten dort gesperrt werden. Ich will der Bundesregierung hier keine bösen Absichten unterstellen, aber das kann es ja wohl nicht sein! Hm, mal so drüber nachgedacht: entweder ich muss ihr böse Absichten unterstellen, oder bodenlose Inkompetenz und Ahnungslosigkeit -- und ich weiss nicht was ich schlimmer finde.
  • Dazu kommt noch, dass auf den bisher veröffentlichten Listen tatsächlich auch sehr viele Seiten aufgeführt sind, die mit Kinderpornographie nichts zu tun haben. Sieht jemand einen Grund warum das hierzulande anders laufen sollte? Es waren mehr "normale" Sex-Seiten als KiPo-Seiten dabei, und Gay-Sites, Glücksspielseiten etc.. Egal, alles Schmuddel -- weg damit?
  • Nein -- diese Seiten sind zumindest teilweise vielleicht für manchen anstößig, aber nicht illegal (über die Glücksspielsache kann man sich streiten, aber das ist ein anderes Thema) und sie zu sperren wäre Anmaßung: man ginge dagegen vor weil irgend jemandem der Inhalt nicht gefällt -- und wo hört man auf damit? Das mag sich in diesem Falle unwichtig anhören, ist es aber nicht. Denn es waren auch Seiten mit wirklichen politischen Inhalten auf den Listen, die offenbar irgendwem nicht gefallen haben. Und spätestens an der Stelle wird es vollkommen inakzeptabel ... da maßt sich jemand an, das politische Spektrum manipulieren zu wollen. Was daran so schlimm ist? Meinungsfreiheit. Glaubensfreiheit. Informationsfreiheit. Post- und Fernmeldegeheimnis. Das Recht auf Selbstverwirklichung.
  • Eine Demokratie/ein Rechtsstaat lebt davon, dass man innerhalb eines möglichst minimalen gesellschaftlichen Konsenses tun und lassen kann was man möchte, solange man nicht gegen Gesetze verstößt, oder jemand anderem schadet. Dieser Konsens, bzw. diese Gesetze sind stellenweise in Deutschland sowieso schon restriktiver als anderswo. Leute, hier geht es um alle Murmeln, nicht nur darum, zwei oder drei besonders hübsche zu behalten. Es wird gerade versucht, uns einen Teil der Murmeln abzunehmen.
  • <rant on>
  • Nur um der Wenn-Nur-Ein-Kind-Gerettet-Werden-Kann- und der Egal-Ich-Habe-Ja-Nichts-Zu-Verbergen-Fraktion mal zu verdeutlichen worum es hier geht: man darf schwul sein. Oder homophob. Man darf Greenpeace-Mitglied werden - oder auch Mitglied im Rotary-Club oder im ADAC. Opel fahren oder Fiat. Oder BMW. Man darf Heavy Metal, Techno, Gangsta-Rap oder auch Dixie, Bigband-Swing, Klassik oder Heimatmusik hören. Man kann Barlach, Dix oder Emil Nolde mögen; oder auch Spitzweg, Picasso (und der hatte wirklich einen Schatten; ich habe niemals so viele liebevoll-detailliert gemalte Vaginas auf einem Haufen gesehen wie in einer Picasso-Ausstellung im Kölner Museum Ludwig :P), Tizian oder Raffael (auch wenn die jede Menge nackte Kinder gemalt haben). Aber nichts davon ist heutzutage entartet. Man darf Veganer sein, oder auch McDonalds-Junkie. Ausschließlich von Sashimi leben. Einen Schrebergarten mit Gartenzwergen haben. Lego sammeln, oder Fischertechnik. An ein Gummiseil geknüppelt von einer Brücke springen. Man darf Horrorfilme im Kino ansehen, oder auch Aristocats. Man darf sich über den Papst, oder auch über Jesus Christus oder Mohammed lustig machen und so viele Karrikaturen über das Thema zeichnen wie man möchte. Man darf Kritik an den Maßnahmen der Regierung üben und offen Angela Merkels Kompetenz, Geisteshaltung oder meinetwegen Ihren Geschmack in der Auswahl ihrer Kleidung anzweifeln. Man darf Dubya, äh George W. Bush, Jr. für einen grenzdebilen Vollspacken halten, der Schwierigkeiten hat sich die Schuhe zuzubinden ... oder auch für den größten Helden der Freien Welt seit Leonidas und Thermopylae.
  • Man darf Mainstream-Christ oder -Moslem sein, den Zeugen Jehovas angehören, Satan anrufen, Gaia huldigen oder an das fliegende Spaghettimonster glauben -- solange man niemanden schädigt; jede Religion ist exakt gleich ernstzunehmen wie jede andere auch, keine ist nachweisbar "wahrer" als irgendeine andere und sie ist vor allem eines: Privatsache. Und nur Privatsache. Man darf auf LARP-Veranstaltungen gehen und sich Schaumgummischwerter um die Ohren hauen lassen, und man darf "Killerspiele" spielen, zumindest bis irgendwer zweifelsfrei beweist dass diese Spiele zwangsweise oder zumindest in vielen Fällen aggressiv machen und zu Amokläufen führen können -- dann, und genau dann, darf man sie verbieten. Die persönlichen Meinungen (und mehr geben diese Leute nicht von sich) eines Herrn Schünemann, eines Herrn Beckstein, einer Frau Hoppe, eines Herrn Pfeiffer oder auch der Hinterbliebenen von Winnenden zählen ohne irgendwelchen statistisch, psychologisch oder sonstwie wissenschaftlich fundierten Hintergrund ebensowenig wie die Arroganz eines Herrn Wiefelspütz, vor allem wenn sie etwas verurteilen das sie nicht einmal aus eigener Erfahrung kennen -- und einmal kurz ein paar Szenen aus Doom IV anschauen reicht nicht. Und wenn der eine oder andere von ihnen das anders sieht, und seine Ansichten auf Grund seiner Position durchdrücken kann, ist das nichts weiter als Amtsmissbrauch, und die unberechtigte Anmaßung eines Rechtes das er/sie eigentlich niemals hatte!
  • Und man darf all das öffentlich kundtun. Auch im Internet. Ein Schwuler darf so viele Gay-Sites besuchen wie er möchte, oder selbst eine betreiben. Das ist keine kleine Sache, und schon gar keine Selbstverständlichkeit, und man kann diese Freiheit nur zu leicht wieder verlieren, wenn man nicht auf darauf besteht sie auszuüben. Mit keinem dieser Dinge schädigt man irgendwen (höchstens potentiell sich selbst falls das Gummiseil beim Sprung reisst), es sei denn jemand will sich auf den Schlips getreten fühlen, aber das ist dann sein Problem, nicht das des Greenpeace-Mitglieds, des Karrikaturisten oder des Counterstrike-Spielers.
  • Man muß hier wirklich vorsichtig dahingehend sein, welche Einschränkungen man sich bieten läßt: jeder von uns hat potentiell irgend ein Hobby, eine Ansicht, ein Befürfnis an dem irgendein anderer Anstoß nehmen kann. Und seien es Gartenzwerge im Vorgarten. Solange man nicht gegen Gesetze verstößt, Dinge tut die nicht hinnehmbar sind (und dazu gehören "harte" Kinderpornos, keine Frage), oder jemand anderem schadet ist man frei in solchen Dingen. Das steht so im Grundgesetz und sollte eigentlich selbstevident sein. Ist es aber offenbar nicht. Das geht uns alle an, und wer das nicht versteht, oder wen das nicht interessiert, der hat es nicht anders verdient als irgendwann eines Morgens aufzuwachen und ohne schriftliche Erlaubnis in dreifacher Ausfertigung nicht einmal aufstehen zu dürfen. Wenn es so weitergeht wie im Moment ist es demnächst bei Rauchern so weit (und nein, ich habe noch nie im Leben auch nur eine einzige Zigarette geraucht, finde den Gestank widerlich und weiss mehr über Lungenkrebs als die meisten Menschen -- aber wenn jemand zum Rauchen auf den Balkon geht, kann er von mir aus 5 Schachteln am Tag wegpaffen). In dieser Hinsicht gilt ganz strikt: "Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg' auch keinem anderen zu". Das scheinen leider etliche Leute (auch in der Politik, und hier insbesondere kurz vor den Wahlen) nicht verstehen zu wollen und stellen damit ihre eigene, für den Rest der Welt absolut irrelevante, persönliche Meinung über die anderer. Argh... okay, okay, </rant off>... aber das Thema bringt mich wirklich auf die Palme.
  • Nach der Einführung eines solchen Systems verhindert absolut nichts (außer vielleicht dem Glauben ans Gute im Menschen) die großflächige Sperrung irgendwelcher unliebsamen Inhalte für weite Teile der Bevölkerung. Heil <Bitte Nachname Einfügen>. Heim ins Reich.
  • Das Internet ist weltweit erreichbar, und kein abgezäunter und kontrollierbarer Vorgarten. Alles, was jemand zu tun hat um diese Sperre zu umgehen, ist in den Netzwerkeinstellungen seines Routers, oder seines Computers falls er keinen Router verwendet, die IP-Adresse irgendeines öffentlich zugänglichen DNS-Servers einzutragen, der an diesen Sperrmaßnahmen nicht teilnimmt (und davon gibt es buchstäblich Hunderte oder gar Tausende). Ich mache das aus Prinzip seit Jahren, weil mein Provider irgendwann anfing willkürlich Inhalte zu sperren, und ich das für eine absolute Unverschämtheit halte. Davon merkt man im Alltag überhaupt nichts... ausser das das Internet plötzlich wieder ungefiltert verfügbar ist. Das Dumme ist nur: der Großteil der Bevölkerung wird das aus a.) Desinteresse und b.) Uninformiertheit nicht machen; sie haben im Normalfall ja keinen wirklichen Leidensdruck. Von der Leyen geht offenbar davon aus, dass die meisten Interessenten, die Kinderporno-Seiten ansurfen, das auch nicht tun werden. Die haben diesen Leidensdruck aber, und sie müssen nur 4 Zahlen und 3 Punkte eintippen, sonst nichts!!! Diese Sperre können nur Experten umgehen??? Wie blauäugig und ahnungslos ist die Frau eigentlich?
  • An welchem Punkt macht man sich strafbar? Das BKA hat keine Möglichkeit herauszufinden, ob der Surfer auf der Adresse des KiPo-Servers gelandet ist, weil er dort hinwollte, oder ob das sozusagen automatisch durch ein Popup, einen IFrame, ein Script, eine Weiterleitung oder etwas in dieser Art geschehen ist. Das kann sogar geschehen sein, ohne dass er es gemerkt hat, etwa weil der Betreiber seine Clickzahlen hochtreiben will und das Popup außerhalb des sichtbaren Bildschirmbereiches aufgegangen ist. Und selbst wenn man es merkt: wenn mir das je passieren sollte, denke ich vielleicht auch erst einmal "Huh, WTF?"-- und sehe mich dort kurz um; keine Ahnung ob man auf den ersten Blick sieht dass es sich dort um Kinderpornographie dreht (unter Umständen ist es ja eine "normale" Porno-Site, die irgendwo auch Kinderpornos hostet). Die bestimmende Eigenart eines Surfers ist Neugier. Bin ich Schuldig(TM) weil ich auf einer Seite drei mal geklickt habe bevor ich gemerkt habe dass es um Kinderpornos geht? Aktuelle Überlegungen sehen vor, das an der zeitlichen Verweildauer auf der Seite festzumachen, und dass es im Zweifelsfall dem Surfer selbst obliegt, zu beweisen dass er sich nicht strafbar gemacht hat. Sollte das so beschlossen werden, fliegt hier die Unschuldsvermutung aus dem Fenster.
Wie groß ist das Problem der Kinderpornographie eigentlich wirklich, insbesondere angesichts der Aussagen von Leuten, die sich berufsmäßig damit befassen müssen? Quillt das Internet tatsächlich über davon? Und selbst wenn man annimmt, das Pädophile im Allgemeinen zu dumm, zu faul oder zu überheblich sind, sich einen freien DNS-Server zu suchen... welchen praktischen Nutzen haben von der Leyens Maßnahmen wirklich?

Pädophilie ist eine sexuelle Ausrichtung, keine Krankheit oder einfach moralische Verderbtheit. Ebenso wie Homosexualität. Eine Krankheit impliziert eine Therapier- und Heilbarkeit. Die ist aber bislang nicht gegeben; vielleicht kann man das eines Tages, aber noch geht das nicht. Bei Homosexuellen würde ich das, wenn es möglich wäre und auf Verordnung statt auf eigenen Wunsch hin geschähe, auf alle Fälle auch als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sehen, denn sie schaden niemandem und können tun und lassen was sie wollen, und ich glaube mit einer Therapie (die ja immer mal wieder vorgeschlagen wird) würde man mehr Schaden anrichten als Gutes tun. Man ist als Homosexueller heutzutage Gott sei Dank nicht mehr automatisch gesellschaftlich geächtet, auch wenn das Teilen der Bevölkerung nach wie vor nicht paßt.

Pädophile hingegen schaden Kindern, und das kann so natürlich nicht akzeptiert werden. Aber eigentlich ist ein Pädophiler ein armes Schwein: er hat ein tiefes, inneres Bedürfnis nach etwas, das den Rest der Bevölkerung dazu bringen könnte ihn zu lynchen wenn es herauskäme. Er muss seine Neigungen verbergen oder verdrängen. Immer. Zeitlebens. Er kann nicht wirklich etwas dafür; seine Sexualität hat sich aus irgendeinem Grund in die Richtung entwickelt, und niemand weiß warum das so geschieht. Aber es geschieht, und er schädigt potentiell Kinder. Er wird sich auch nicht ändern (können), auch wenn die Gesellschaft sein Treiben verachtet. Wobei es mir ehrlich gesagt lieber ist, er lebt seine Bedürfnisse mit 15 Jahre altem Filmmaterial masturbierend vorm Bildschirm aus, als in Natura. Ich glaube kaum, dass jeder latent Pädophile reihenweise Kinder mißbraucht, aber das ist eine persönliche Meinung für die ich keine Zahlen habe. Das soll jetzt kein Appell für Verständnis gegenüber Pädophilen sein, aber meine Güte bin ich froh nicht so gestrickt zu sein. Tatsache ist aber, dass unsere Sexualität eine unserer stärksten Triebkräfte ist ... und wir alle Willens sind, jede Menge Aufwand zu betreiben um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Abhalten kann man niemanden davon. Und das gilt auch für Pädophile.

Von der Leyen behauptet ja gerne, diese Sperre wäre unter Anderem so wichtig, weil schon das "zufällige" Besuchen einer solchen Seite eine "Einstiegsdroge" in die Kinderpornographie wäre. Das ist Unsinn, denn wie gesagt: Pädophilie ist eine sexuelle Ausrichtung, keine heilbare Krankheit oder Sucht. Entweder man hat diese Neigungen, dann braucht man keine Einstiegsdroge um danach zu streben, oder man hat sie nicht, dann kann wird kein Ausmaß an Exposition dazu führen dass man so etwas sehen möchte. Diese Neigungen sind weder antrainierbar, noch kann man sich das abgewöhnen wenn man "so tickt".

Ich persönlich treibe mich jetzt seit ca. 20 Jahren im Internet herum; yep, vor dem WWW, NCSA Mosaic und Netscape. Und ich habe in diesen 20 Jahren nicht ein einziges Mal etwas gesehen, das ich wirklich als Kinderpornographie bezeichnen würde. Ich bin ein Mann, und einem gelegentlichen "normalen" Porno durchaus nicht abgeneigt (meine Lebensgefährtin übrigens auch nicht). Von daher kenne ich natürlich einige Pornosites, aber dort findet man allenfalls einmal Bilder oder Filme, bei denen man sich fragen kann, ob die Darstellerin denn tatsächlich volljährig ist -- das ist ja nicht so leicht zu sagen. Aber ich habe nicht ein einziges Mal einen Film gesehen, in dem kleine Kinder gequält oder vergewaltigt wurden. Ich habe diverse Vielsurfer gefragt, ob sie schon einmal über so etwas gestolpert sind, und auch sie haben das verneint. Als normaler Mensch sucht man auch nicht explizit nach so etwas, zugegeben (das wäre ja auch illegal), aber ich wage doch stark zu bezweifeln dass man solche Seiten einfach per Google und die Suchbegriffe "kipo movie download" findet. Man stolpert nicht "mal eben" über solches Material. Man muss da im Gegenteil schon einiges an Aufwand investieren und hartnäckig sein, oder von irgendwem "eingeladen" werden.

Es gibt im Internet eine sehr interessante Seite, die sich wikileaks.com nennt, bzw. ihren deutschen Ableger (Update: hier war ursprünglich ein Link ... einfach mal googlen oder auf der naheliegenden URL vorbeischauen; verlinken ist in diesem Land mittlerweile u.U. ein Grund dass die Polizei bei einem anklopft), und die sich allgemein gegen Zensur und dergleichen richtet, und auf der man Dinge veröffentlichen kann, von denen man der Meinung ist dass der Rest der Welt davon wissen sollte. Wikileaks hatte vor einiger Zeit die DNS-Sperrlisten Australiens veröffentlicht ... um anzuprangern, dass ein ziemlich großer Anteil der gesperrten Seiten nichts mit Kinderpornographie zu tun hatte. Prompt wurde bei dem Betreiber eine Hausdurchsuchung mit 11 (!) Beamten durchgeführt -- wegen des Verdachts auf Verbreitung von Kinderpornographie! Ist man mit so vielen Beamten über den Mann hereingebrochen, weil man Angst hatte dass er Amok läuft? Wo sind wir denn hier überhaupt? Berlin, November 1938? Was aktuell gerade abläuft ist eine ziemlich hysterische Hexenjagd, kein rationales Vorgehen mehr. Und das alleridiotischste an der ganzen Aktion ist dann noch, dass wikileaks.com die ganze Zeit über erreichbar war und die selben Dokumente veröffentlicht. Aber dort konnte man halt keine Razzia veranstalten.

Wie auch immer: auf wikileaks findet man auch einen Artikel unter dem Titel "Einblicke in die Kinderpornoszene" von einem Autor, der sich als Kenner der Szene bezeichnet. Seine Ausführungen sind von wikileaks-Mitarbeitern als "im wesentlichen korrekt" verifiziert worden. Da ich die Szene selbst nicht kenne, gebe ich an dieser Stelle mal einige seiner Argumente wieder. Er hat einige ziemlich kontroverse Ansichten, aber im großen und ganzen macht seine Argumentation Sinn. Im Zusammenhang mit von der Leyens Aktionen hat der Artikel etwa folgende Aussage:
  • "harte" Kinderpornographie (sagen wir, der Mißbrauch von Kindern unter zehn Jahren) kommt fast ausschließlich aus privater Hand, von Pädophilen, die ihre Kinder/Nichten/Neffen/Enkel oder Nachbarskinder missbrauchen. Diese Leute tauschen ihr Material untereinander per Post, per Mail, per Usenet, über Foren oder per Peer-To-Peer-Netz ... und versuchen sich gegenseitig in dem zu übertrumpfen, was sie den Kindern antun. Das Web ist dabei allenfalls Kommunikationsplattform, der Tausch geht anderswo vonstatten. Nichtsdestrotrotz halten sie das ganze weitgehend privat, da ihnen durchaus klar ist dass das was sie da machen ihnen gesellschaftlich den Hals brechen kann. [Diese Aussagen machen in so fern Sinn, dass es ja nicht so einfach ist, "Mitwirkende" für die Filme zu finden, es sei denn, man kontrolliert sowieso ihren Tagesablauf. Wenn jemand regelmäßig willkürlich Kinder entführt, quält, vergewaltigt und dann wieder an der Bushaltestelle absetzt, oder die Kinder gar ermordet, wird er recht schnell auffliegen. Ein Kind wird viel eher den Mund halten, wenn derjenige der es mißbraucht ihm nahesteht]. Dieses Material findet danach sozusagen auf Umwegen, nachdem es irgendwo im Netz aufgetaucht ist und von irgendwem entdeckt worden ist (sagen wir im Usenet) seinen Weg auf die einschlägigen Websites. Ein Großteil des Materials ist auch schon ziemlich alt. Fazit: von der Leyen behauptet, man könne die Produzenten treffen in dem man die Anzahl der Besucher auf ihren Websites verringert. Das ist aber nicht der Fall, denn die Betreiber sind ja nicht die Urheber. Die Betreiber werden solches Material einfach weglassen (denn "harte" Kinderpornographie dürfte immer noch höchstens den kleineren Teil ihres Geschäftes ausmachen; es dürften immerhin sehr viel mehr Männer nackte 16- oder 17-jährige anregend finden als nackte 5-jährige), und die Kinder werden weiterhin vergewaltigt, weil der innere Kern dieser Szene nicht öffentlich arbeitet.
  • Die "professionelle" Szene produzierte traditionell eher Aktaufnahmen à la David Hamilton von 11-14-jährigen, von 14-jährigen die vor der Kamera masturbieren, oder echte Pornos mit Darstellerinnen, die irgendwo zwischen 15 und 18 sind (wobei das Alter variieren mag). Heute arbeitet sie zumeist völlig legal, aber mit Darstellerinnen die jünger aussehen als sie sind. An der Stelle wird der Autor kontrovers: er behauptet, dass diese Aufnahmen meist auf freiwilliger Basis zustandekamen und -kommen, sei es weil die "Models" eine leicht exhibitionistische Ader haben und Spaß daran haben, nackt vor der Kamera zu posieren, oder weil sie schlicht Geld dafür bekommen sich ablichten zu lassen. Oft seien auch die Eltern informiert und hätten keine Einwände. Und eine 17-jährige, die immerhin gesetzlich [eingeschränkt] straffähig und heiratsfähig ist, und die seit einigen Jahren von sich aus regelmäßig Sex hat, könne absehen auf was sie sich einläßt wenn sie an einem Porno mitwirkt und hätte ja wohl auch das Recht dazu. Hm, dazu kann kann man stehen wie man will. Aber wie auch immer, in einem hat der Autor Recht: die Rechtslage ist international hier alles andere als eindeutig, und selbst wenn etwas wie "Zärtliche Cousinen" und das Filmen von 17-jährigen beim Sex nach geltendem deutschen Recht vielleicht Kinderpornographie ist, dann ist es dennoch eine ganz andere Hausnummer als die Vergewaltigung von 5-jährigen. Das ganze ist vielleicht unmoralisch, aber gezwungen, gequält, gefoltert oder vergewaltigt wird bei diesen Dingen im Regelfall niemand, Rechtslage hin oder her.
  • Der Vertrieb von Kinderpornographie ist bisher hauptsächlich über Werbebanner auf "normalen" Sexsites, Posts in Foren und im Usenet gelaufen. Da die Öffentlichkeit aber aufmerksam wurde, erfolgt der Vertrieb neuerdings über Spam-Mails. Wenn das so stimmt, ist damit die von-der-Leyen-Sperre schon unterlaufen bevor sie eingeführt wurde: die Betreiber müssen lediglich die IP-Adresse eines Eingangsservers statt einer URL in die Mail schreiben, und schon ist die Sperre zumindest für die Eindämmung von Kinderpornographie komplett wirkungslos. Was ich immer noch nicht verstanden habe ist wie man damit Geld verdient... Mitgliedsbeiträge für die Website? Werbebanner ?
  • Die "professionelle" Szene ist technisch extrem hochgerüstet. Dinge wie VPN, TrueCrypt, SSL, Proxies usw. sind für die Betreiber keine Fremdworte sondern Dinge, mit denen sie täglich und auf hohem Niveau umgehen. Das ganze funktioniert etwa folgendermaßen: das eigentliche Material liegt verschlüsselt in einem TrueCrypt-Laufwerk auf einem sog. Content-Server. Dieser ist so konfiguriert, dass er nichts mitloggt, und auch nicht so ohne weiteres von außen ansprechbar ist. Er läßt sich nur auf definierten Ports und von Eingangs-Servern, deren IP-Adressen ihm bekannt sind ansprechen. Daher fällt er höchstens durch ein hohes Datentransfervolumen auf, aber da die Verbindungen zwischen Eingangs-Server und Content-Server ggf. verschlüsselt sind, lässt sich auch nicht sagen was da übertragen wird. Das bedeutet: wird der Server "kompromittiert", dann findet die Polizei darauf allenfalls eine TrueCrypt-Datei ohne nachweisen zu können dass irgendwelches illegale Material vorhanden ist, und sie kann auch nicht nachweisen wer von diesem Server was abgerufen hat (die Anfragen kamen ja immer über einen der Eingangsserver in St. Petersburg, Sao Paulo, oder Kapstadt, und daher kann auf dem Niveau nicht zwischen verschiedenen Konsumenten unterschieden werden). Sie findet auch keine weiteren Informationen, da die eigentlich interessanten Konfigurationsdateien samt der nötigen Software auch in dem TrueCrypt-Volume liegen. Auch der Provider, in dessen Rechenzentrum der Server steht weiss nicht welche Daten dort liegen, und hat auch keine Chance das herauszufinden. Sollte der Server jemals "auffliegen", gibt es zwecks Lastverteilung noch weitere Server -- das Netzwerk läuft also weiter -- und schon morgen ist der Ersatz für den gerade dichtgemachten Server am Netz. Zudem gibt es eigentlich keinen Grund, warum die Polizei jemals auf diesen Server aufmerksam werden sollte: seine IP-Adresse taucht ja niemals irgendwo auf; der Server liefert nur auf Anforderung Daten, macht aber aktiv von sich aus nie etwas. Diese Content-Server stehen perverserweise gerne in Deutschland, weil unsere Netzwerkinfrastruktur sehr stabil und schnell ist, und Server günstig sind.
  • Ein Eingangs-Server wirkt quasi nur als Weiterleitung (Proxy) auf den Content-Server; d.h. er bekommt eine Anfrage und holt sich den angefragten Film vom Content-Server bevor er ihn zum Anfrager weiterstreamt. Auch er loggt nichts mit, und auf ihm liegen niemals irgendwelche illegalen Daten. Und jetzt wird es richtig perfide: es gibt mehrere Eingangsserver, die über die gleiche Url erreicht werden können. Welcher physische Server tatsächlich angesprochen wird, und welcher Eingangs-Server welchen Content-Server nutzt ändert sich sehr schnell zeitlich und in Abhängigkeit vom Ort des Anfragers. Die Server tauschen zudem untereinander Anfragen aus, d.h. das ganze ist ein eigenes Anonymisierungsnetzwerk. Diese Server können irgendwo stehen, von Australien über die Fidschis und Singapur bis Zypern, und werden über mehrere Länder verteilt.
  • Wie kommt der Betreiber an diese ganzen Server? Er mietet sie online. Webhoster gibt es überall, und das Mieten eines Servers dauert maximal 10 Minuten oder gar weniger. Das sind ggf. genau die Server, auf denen Otto Normalbürger seine Homepage laufen läßt wenn er mit den eingeschränkten Möglichkeiten seines ISP ("Wie, kein PHP und kein MySQL?") nicht hinkommt. Kostenpunkt: ein paar Euro im Monat pro Server, zumindest für die Eingangsserver. Bezahlt wird das über Online-Paysysteme, PrePaid-Kreditkarten oder Kreditkartenbetrug, und dadurch de facto anonym. Wird ein Server vom Netz genommen, mietet der Betreiber einfach einen anderen. Nehmen wir mal an, wir reden von drei Content- und sieben Eingangsservern (einfach um eine leicht berechenbare Größe zu haben), dann kostet das den Betreiber vielleicht 200 bis 300 Euro im Monat, wenn er virtuelle Server benutzt. Was für ihn aus Sicherheitsgründen eine gute Idee ist, weil dann noch x andere Websites auf der gleichen Hardware laufen, und die Datenstromverfolgung noch weiter erschwert wird. Und das ist nur deshalb so viel, weil die Content-Server mehr Festplattenspeicher benötigen als die meisten Webhoster bei ihren Billigangeboten zur Verfügung stellen.
Phew. Krasse Technik. Und das lässt Bot-Netze, Trojaner und Zombies noch völlig ausser acht. Und man könnte das ganze noch um einiges hochdrehen. Ehrlich gesagt: ich sehe kaum eine Möglichkeit, dem durch irgendwelche technischen Maßnahmen beizukommen. Selbst wenn es internationale Zusammenarbeit auf einem sehr hohen Niveau gäbe. Diese Leute tanzen Kreise um die Behörden... und zwar aus ihrer Sicht noch immer Stehblues statt Jive oder Discofox, soll heissen, sie kommen nicht mal ins Schwitzen. Und das nicht nur wegen Ausbildungsmängeln bei den Behörden (was sich langsam, aber stetig bessern dürfte) und totaler Ahnungslosigkeit auf Seiten der Politik (was sich vermutlich nicht bessern wird).

Lassen wir mal die räumliche Trennung der Server und die damit verbundenen rechtlichen Probleme bei verschiedenen beteiligten Ländern, und die Schwierigkeit die Datenströme überhaupt zu verfolgen ausser acht: die eigentliche Crux bei all dem ist die an allen Ecken und Enden verwendete Verschlüsselung. Diese hat heutzutage ein Niveau erreicht, das schwindelerregend ist. Picken wir mal ein Paradebeispiel heraus: ein modernes Verschlüsselungssystem ist AES (Advanced Encryption System) welches ziemlich häufig Verwendung findet (auch bei einem modernen WLAN-Router ... "WPA2 mit AES"). AES gibt es mit unterschiedlichen Schlüssellängen, und während die kürzesten gerüchteweise durch irgendwelche schwarzen "No Such Agencies" relativ angreifbar sind, ist das für 256-Bit-AES bislang nicht der Fall. Das Verfahren ist ziemlich sicher... so sicher, dass es in den USA, die Dank der schieren Rechenleistung der Rechencluster bei der NSA und anderswo vermutlich weltweit führend in der Cyptoanalyse sind, nach wie vor für Dokumente der höchsten Sicherheitsstufe verwendet werden darf. Man braucht mindestens Wochen oder Monate, um nur ein einziges Dokument zu entschlüsseln; an das In-Echtzeit-Entschlüsseln von Zig-Megabyte-Videoströmen ist nicht mal im Traum zu denken. Das Verfahren ist nicht unknackbar, aber auf diesem Planeten steht nicht genug Rechenleistung zur Verfügung, um auch nur einen Bruchteil der verschlüsselten Datenströme in endlicher Zeit entschlüsseln zu können.

In Frankreich hat man in den 90ern versucht, dem durch ein Verbot Herr zu werden, bzw. durch ein Gesetz, das dem Staat im Gegenzug für eine Erlaubnis zur Nutzung von Verschlüsselung einen Generalschlüssel geben sollte (Key-Escrow-Verfahren), und ist de facto glorreich damit gescheitert. Jede größere Firma mit verteilten Standorten verwendet diese Technologien, und zwar völlig legitim, um trotz räumlicher Trennung dennoch ein einheitliches und sicheres Intranet zu haben... und die werden sicher nicht auf diese Möglichkeit verzichten, bzw. wollen dass der Staat ihre interne Kommunikation mitlesen kann. Und ehrlich gesagt: ich will auch nicht, dass jemand meine Mail oder den Inhalt meiner Festplatte mitlesen kann. Ich habe zwar nichts zu verbergen (ausser einigen geschäftlichen Dokumenten auf meinem Laptop, für die ich eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschrieben habe ... und breche ich die und mache mich rechtlich angreifbar wenn der Staat da mitliest? Und ja, die liegen in einem TrueCrypt-Volume, wenn auch mehr für den Fall dass mir der Laptop gestohlen wird), aber ich könnte etwas zu verbergen haben.

Wenn andere, auf die ich keinen Einfluß habe, definieren was man besser verbergen sollte, dann will ich sicher sein zur Not auch tatsächlich verbergen zu können, dass ich an das Spaghettimonster glaube. Wer weiß was kommt? Wer weiß was Menschen wie von der Leyen, Schäuble oder Schünemann (oder ihre Nachfolger in 10, 20 oder 50 Jahren) sich noch einfallen lassen? Und wenn diese Technologien den Strafverfolgungsbehörden das Leben schwer machen, nun ja: Life's a bitch, and then you die. Sicher will ich dass Verbrechen aufgeklärt werden können -- aber nicht um jeden Preis. Dinge wie Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Informationsfreiheit, Post- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Selbstverwirklichung sind die basalsten Bestandteile des Grundgesetzes, und das aus gutem Grund: die Väter des Grundgesetzes hatten gerade eine Zeit hinter sich, in der all das nicht gegeben war, und wollten so etwas nie wieder erleben. Im Vergleich sind Terrorismus, Raubkopierertum und Kinderpornographie schlicht unwichtig. Deswegen sind diese Rechte so basal. Und diese Zeit ist noch nicht so lange her. "Bei uns kann sowas doch nicht passieren" (noch ein oft gehörtes Argument für diese Sperrmaßnahmen)? LOL.

Was also steckt hinter von der Leyens Pädophilen-Hatz?

Fassen wir mal zusammen:
  • "harte" Kinderpornos sind meistens aus privater Hand, und werden nicht aus Profitgründen weitergegeben. Die Urheber sind nicht diejenigen, die sie öffentlich im Netz anbieten.
  • "öffentlich im Netz" ist alles andere als öffentlich; man findet diese Seiten eher per "Einladung" via Spam-Mails als beim normalen Surfen. Und selbst wenn man sie per Google oder was auch immer finden kann, ist das nicht so einfach und geschieht nicht "mal eben so".
  • Pädophile sind sich darüber im Klaren, dass ihre Bedürfnisse von der Gesellschaft abgelehnt werden, und sind aller Wahrscheinlichkeit nach Willens, einen hohen Aufwand zu betreiben, um ihre Bedürfnisse wenigstens masturbierend vorm Monitor befriedigen zu können. Was ja immerhin noch besser ist, als dass sie das in Natura machen; wenigstens wird so die Zahl der betroffenen Kinder verringert. Und "normale" Menschen haben schlicht kein Interesse an solchem Material.
  • von der Leyens Sperre ist so lächerlich einfach zu umgehen, dass selbst ein nicht sonderlich intelligenter und informierter (aber am Thema interessierter) Mensch sie nach dem Betrachten eines 27-Sekunden-Videos umgehen kann; sie kann aber verwendet werden um dem uninformierten und desinteressierten Anteil der Bevölkerung im Internet nur "genehme" Seiten anzuzeigen, und man bekommt von staatlicher Seite mit wer dagegen zu verstoßen versucht.
  • sprich, von der Leyens Maßnahmen sind zumindest zur Bekämpfung von Kinderpornographie weitgehend sinnfrei.
  • das sollte ihr nach kurzer Diskussion mit den einschlägigen "Experten" auch klar sein.
Langer Rede, kurzer Sinn: was geht hier ab? Selbst auf die Gefahr hin mich zu wiederholen... wer soll hier eigentlich kontrolliert werden? Wobei? Und warum?