Mittwoch, 8. Dezember 2010

Cablegate und die Auswirkungen

Ich bin gerade über diesen Artikel gestolpert, und er hat meinen Blutdruck steigen lassen.

Dieser Artikel ist ein Paradebeispiel dafür, warum der sogenannte "Qualitätsjournalismus" tot ist. Den Mist, den die Qualitätsjournallien heutzutage absondern will kein Mensch mehr lesen (höchstens noch die Blöd-Leser, und die glauben alles). Wozu auch, es ist Zeitverschwendung. Man liest dieser Tage immer wieder, die Aufgabe der Journalisten sei das Filtern von Informationen für den den Leser -- nur versagen sie dabei auf der ganzen Linie. Ich will auch nicht gefliterte Informationen; für mich ist die Aufgabe von Journalisten, im Informationswust die interessanten Happen zu finden. Aber nachdem sie mich darauf hingewiesen haben, das hier oder da etwas interessantes ist, will ich die Rohdaten, nicht die Meinung des Journalisten oder seines Brötchengebers, danke der Nachfrage. Das ist mir durchaus auch mehrere Stunden am Tag wert.

Aber zurück zu Assange: es gibt kein international gültiges Gesetz dagegen, auf den Schmutzgrad der Unterwäsche von anderer Leute Staaten hinzuweisen. Aber es gibt Senatoren in den USA, die die Todesstrafe für Assange (wegen Verrats!1!! Wie bitte kann denn ein Nichtbürger eines Staates an diesem Staat Verrat begehen?) fordern -- nur haben sie dafür ausser ihrer Entrüstung keine Grundlage. Denen kann man nur eines zurufen: "Fuck. Dot. You. Period."

Assange ist mir persönlich unsympathisch. Der Mann geht mir instinktiv einfach gegen den Strich. Seine Plattform auf der anderen Seite ist für mich eine der wichtigsten im Internet. Denn sie macht etwas, das eigentlich Aufgabe des Qualitätsjournalismus wäre ... nur das der seiner Aufgabe seit Ewigkeiten nicht mehr nachkommt, warum auch immer. Vielleicht hat er das noch nie getan; aber gefühlsmäßig kommt es mir so vor, als ob die Presse vor 30+ Jahren noch kritischer gewesen wäre. Ich kann das ausserhalb weniger Perlen wie Watergate etc. aber nicht wirklich belegen. Ich habe aber den Verdacht, dass heute kein Presseorgan mehr etwas wie die Artikel von Woodward und Bernstein bringen würde. Jedenfalls nicht auf der Titelseite.

Durch die Kriegstagebücher, und mehr noch durch "Collateral Murder" wurde offenbar -- trotz aller Kassandrarufe -- niemand in Gefahr gebracht. So viel zum Thema "Verantwortungslosigkeit" seitens WikiLeaks. Es gab keine Opfer. Es wurde aber der Blick der Öffentlichkeit darauf gerichtet, was da unten wirklich abgeht -- und das ist finster und ein Armutszeugnis für uns alle. Wie auch immer: die Presse hat nichts dergleichen berichtet. Was in meinen Augen bedeutet, dass man die Presse einfach vergessen kann. Sie verrät einem alles, aber nicht die Wahrheit. Journalistenethos? LOL.

Jetzt diese neusten "Enthüllungen". Angeblich schaden sie der internationalen Diplomatie. Aber warum? Nur weil sie die Mitwirkenden als die armseeligen Gestalten enthüllen, die sie nun einmal sind? Beispiel: dass Westerwelle ein planloser, egotistischer Vollhonk ist ist ja nun nichts neues; ich war nur überrascht dass ausgerechnet ein Ami den Durchblick hat das auch zu merken. Und Westerwelle? Nun ja, der ist wie er ist. Sehen kann das jeder. Er hat jetzt zwei Möglichkeiten: entweder er macht so weiter wie bisher und ignoriert Cablegate, oder er versucht sich auf Grund dessen zu verbessern. Letzteres wird ein frommer Wunsch bleiben (es _kann_ ja nicht an ihm liegen), aber alles was diese Depesche getan hat, ist ihn bloßzustellen. Damit muss ein unfähiger Politiker umgehen können. Oder auch nicht. Dumm gelaufen, und allein sein Problem. Das gleiche gilt für Merkel, Seehofer, Berlusconi und Sarkozy, und wie sie alle heißen. Alles nicht gerade Vorbilder. Eher das Gegenteil: mit denen will man nicht mal nach Feierabend ein Bierchen trinken gehen. Schaden wurde durch Cablegate keiner angerichtet. Ausser am Ego von Leuten die eh schon ein aufgeblasenes haben. Ein bisschen Deflation kann hier nicht schaden.

Montag, 1. November 2010

Soifz...

Ich bin ja normalerweise eher nicht so der Tagebuchschreiber auf meinem Blog. Aber ich habe mir letzthin mal wieder nach ewigen Zeiten "The Court Jester" mit Danny Kaye auf DVD angeschaut. Ich kenne den Film seit meiner Kindheit, und hatte ihn bis dato nicht im englischen Original gesehen; auf alle Fälle ist da die Szene mit dem "Pokal mit dem Portal, und dem Kelch mit dem Elch" noch besser als auf deutsch.

Wie auch immer: ich habe danach mal auf Youtube rumgeguckt, und bin dabei auf dieses Juwel gestoßen: 

Meine Güte, hatten die Jungs Spass. Ich kann nicht aufhören zu grinsen wenn ich mir das anschaue. Das macht mir echt gute Laune. Das ist wie Reggae und Bob Marley, die bei mir eine Sehnsucht nach Karibik hervorrufen.

Und ich sehe heutzutage wenig vergleichbares. Ich glaube, das letzte Mal dass ich einen Musiker derartig Spaß beim Musikmachen gesehen habe war irgendwann Anfang der 90er... Maisha Grant im Jazzkeller in Weinheim, glaub ich. Und das war mehr Blues als alles andere; trotzdem sind da über 60-jährige Opis (aus meiner damaligen Sicht), vollkommen unfähig die Füsse stillzuhalten, über die Tische gemoonwalked (kein Scheiss). Weltklasse. Genauso wie das Konzert hier... da wär ich gern dabeigewesen.

Samstag, 9. Januar 2010

Bezahlinhalte im Internet

Es gibt anscheinend tatsächlich Menschen, die von ihrer Grundeinstellung her nicht mehr mit der modernen Zeit klarkommen. Rupert Murdoch ist einer davon; die Macher hinter dem Springer-Verlag gehören wohl auch dazu. Beide wollen die Zeit zurückdrehen, zurück zu den Zeiten, in denen sie a.) in Geld schwammen und b.) mit einem Federstreich ohne jede Opposition und ohne Folgen die öffentliche Meinung machen konnten. Zumindest in ihrer Wahrnehmung funktioniert das heute nicht mehr flächendeckend. Warum? Genau, der Feind: das Internet ist schuld.

Nicht dass sie nicht immer noch in Geld schwämmen, und nicht dass es nicht noch immer genug Wahlvieh gäbe, das ihre Produkte unreflektiert konsumiert -- aber ihre Stellung ist eben nicht mehr so marktbeherrschend wie in der guten alten Zeit. Das ist schlecht, aus ihrer Sicht jedenfalls. Also wettert man jetzt über die "Umsonstkultur" des Internets, warnt vor den Folgen für die "Kreativwirtschaft" und versucht, Geld mit Bezahlinhalten zu machen ... und das, nachdem man jahrelang den einzigen Anteil, den Verlagshäuser an der "Kreativwirtschaft" haben -- gute Redaktionen, und gute, fest angestellte Journalisten -- systematisch hingerichtet hat. Kein Wunder also wenn die Verkaufszahlen zurückgehen.

Moment mal... einziger Anteil? Yep. Ein Verlag ist nicht kreativ. Eine Zeitung ist nicht kreativ. Beides sind Vehikel zum Geld drucken und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung für Menschen wie Rupert Murdoch. Das ist nicht per se erhaltenswert. Wenn die Springer-Presse morgen komplett Insolvenz anmelden müsste, würde sie nur von den ewig gestrigen Blöd-Lesern vermisst werden. Eine Zeitlang. Bis irgendein anderes Erzeugnis diese Nische füllt oder ihre ADHS-ähnliche Aufmerksamkeitsspanne sie alles vergessen lässt.

Die "Kreativen", sprich, die Mitarbeiter in den wenigen übriggebliebenen ernstzunehmenden Redaktionen, und die wenigen guten, investigativen Journalisten wurden in den letzten Jahren zunehmend "freigesetzt", arbeiten jetzt auf selbstständiger Basis oder schreiben eher für Werbeagenturen denn für Zeitungen. Die verbliebenen festen Mitarbeiter schreiben im Wesentlichen von der Konkurrenz ab, oder zitieren Agenturmeldungen. Auch das ist nicht per se erhaltenswert -- im Gegenteil: das braucht kein Mensch. Good riddance. Das große Zeitungssterben kann beginnen, und zumindest so wie die Zeitungen heutzutage aufgestellt sind ist das auch kein Verlust.

Der neuste Rettungsanker ist ja nun, die eigenen Inhalte kostenpflichtig zu machen, sprich, als Abonnent des Druckerzeugnisses darf ich die Online-Inhalte kostenlos lesen, und als Nicht-Abonnent muss ich ähnlich viel zahlen wie für ein Print-Abo wenn ich die Online-Inhalte lesen möchte. So jedenfalls die Idee. Meiner Meinung nach ist das kein Rettungsanker; es gleicht eher dem Einlegen des 5. Gangs 100 m vor dem Abgrund. Hoffentlich haben die Jungs einen Fallschirm dabei.

sic transit gloria mundi

Warum ich das für eine schlechte Idee halte? Ganz einfach: weil sich in weiten Teilen der Bevölkerung (zumindest unter den Netzaffinen) das Konsumverhalten was Nachrichten angeht komplett verändert hat. Und zwar nicht nur aufgrund der "Umsonstkultur".

Ich persönlich konsumiere meine Nachrichten jetzt seit ca. 15 Jahren praktisch ausschliesslich online. Fernsehen erschöpft sich bei mir i.A. in einmal die Kanäle rauf- und runterzappen, einmal traurig Kopfschütteln weil schon wieder nichts vernünftiges kommt, und dann einen Druck auf den Aus-Knopf der Fernbedienung. Radio höre ich auf längeren Autofahrten, und auch nur dann wenn ich keine Lust auf die eigenen "Musikkonserven" habe. Die Tageszeitung habe ich abgeschafft, als ich festgestellt habe, dass ich morgens beim Frühstück nicht zu viel mehr kam als zum Lesen der 1. Seite und zum Überfliegen von ein paar weiteren Seiten. Das heisst, ich war trotz Print-Abo immer noch schlecht informiert, denn ich las ja nur wenige Artikel, jeder Artikel spiegelt ja nur eine Meinung wieder, und mehr als die eine Meinung zum gegebenen Thema gab es nicht. Dennoch hat allein die Tageszeitung einen 40cm Altpapierstapel produziert -- pro Monat. Was eine Umweltschweinerei. Und wie ineffektiv.

Heutzutage konsumiere ich Nachrichten aus jeder Online-Quelle derer ich habhaft werden kann. News-Aggreatoren helfen beim Finden von interessanten Themen oder Überschriften. Kommt ein Artikel einem plausibel vor, schaut man zwecks Kontrolle vielleicht noch einen anderen an. Kommt der Artikel einem spanisch vor, vertieft man die Recherche (über andere Publikationen, oder Google) bis man das Gefühl hat einigermaßen zu verstehen was vorgeht. Dabei sind die Publikationen völlig irrelevant. Ich lese nicht mehr den Spiegel, die Welt, die Zeit oder das Humbuger Käseblatt ... ich suche nach Nachrichten zu einem Thema. Jede der vorgenannten Publikationen mag in der Trefferliste sein (oder auch nicht), aber eben ebenso ein Wikipedia-Eintrag, der Blog irgendeines abgedrehten Verschwörungstheoretikers oder eine offizielle Regierungsverlautbarung. Ich bin nicht mehr zufrieden mit wenigen oder gar nur einer einzigen Publikation -- deren Weltblick ist mir zu eingeschränkt.

Und wie mir geht es vielen, vielen Leuten die ernsthaft Nachrichten lesen möchten. In meinem Bekanntenkreis ist praktisch jeder so drauf; die Methoden unterscheiden sich ein wenig, aber im Prinzip denken alle so. Und da liegt auch das Problem des "Rettungsankers". Ich zahle nicht einzeln für das Humbuger Käseblatt. Punkt. Nicht mal 10 ct/Monat. Auch nicht für SPON, wobei ich mich dort relativ oft herumtreibe. Schon gar nicht für "Blöd". Ich wäre willens, eine Art "Flatrate" (so die in einem vernünftigen Rahmen bleibt) zu bezahlen, wenn ich dafür "alles" bekomme, soll heissen, nicht nur die Erzeugnisse eines einzelnen Verlagshauses, sondern zumindest alle großen Online-Publikationen samt ihrer Archive bis zurück zur Bibliothek von Alexandria. Ich bin keinesfalls willens, mich bei x Publikationen einzeln anmelden zu müssen, und mich womöglich noch mit verschiedenen Online-Bezahlsystemen auseinandersetzen zu müssen. Jede Publikation, die das von mir erwartet, überschätzt ihre eigene Wichtigkeit maßlos und ist "raus". Da sehe ich mich trotz potentiellen Qualitätssturzes dann lieber bei der "Umsonst"-Fraktion um, die es weiterhin geben wird. "Flatrate", Single-Sign-On und EIN Zahlsystem, und ich wäre dankbar wenn das nicht freaking PayPal wäre (don't get me started). Alles andere: danke, aber nein danke. Egal was die Herren Murdoch und Döpfner rauchen und wovon sie Nachts träumen. Das wäre mir, oh, sagen wir mal etwas in der Größenordnung von 15€ / Monat wert. Das reicht nicht um das Angebot zu erhalten? Dumm das; dann dünnt sich das Angebot eben aus; wie gesagt: weder Publikationen noch Verlagshäuser haben irgendeinen intrinsischen Wert. Mehr Kohle gibts nicht. Vielleicht landen wir dann bei einer relativ kleinen Anzahl Publikationen, die wenigstens alle wieder guten Journalismus machen.

Das heisst, ich bin die falsche Kundschaft für die Ideen von Döpfner & Murdoch. Ich habe auch kein IPhone, werde mir vermutlich auch keins anschaffen, und ob es da irgendwelche Springer-Apps gibt, ist mir egal. Und ich habe den leisen Verdacht, dass es die Kundschaft für deren unausgegorenen Ideen auch nicht gibt -- was dann heissen würde, dass der Abgrund immer näher kommt und ihre Zeit tatsächlich vorbei ist. Naja, warten wir ab ob sie einen Fallschirm dabei haben <Popcorn rausholt>.