Mittwoch, 8. Dezember 2010

Cablegate und die Auswirkungen

Ich bin gerade über diesen Artikel gestolpert, und er hat meinen Blutdruck steigen lassen.

Dieser Artikel ist ein Paradebeispiel dafür, warum der sogenannte "Qualitätsjournalismus" tot ist. Den Mist, den die Qualitätsjournallien heutzutage absondern will kein Mensch mehr lesen (höchstens noch die Blöd-Leser, und die glauben alles). Wozu auch, es ist Zeitverschwendung. Man liest dieser Tage immer wieder, die Aufgabe der Journalisten sei das Filtern von Informationen für den den Leser -- nur versagen sie dabei auf der ganzen Linie. Ich will auch nicht gefliterte Informationen; für mich ist die Aufgabe von Journalisten, im Informationswust die interessanten Happen zu finden. Aber nachdem sie mich darauf hingewiesen haben, das hier oder da etwas interessantes ist, will ich die Rohdaten, nicht die Meinung des Journalisten oder seines Brötchengebers, danke der Nachfrage. Das ist mir durchaus auch mehrere Stunden am Tag wert.

Aber zurück zu Assange: es gibt kein international gültiges Gesetz dagegen, auf den Schmutzgrad der Unterwäsche von anderer Leute Staaten hinzuweisen. Aber es gibt Senatoren in den USA, die die Todesstrafe für Assange (wegen Verrats!1!! Wie bitte kann denn ein Nichtbürger eines Staates an diesem Staat Verrat begehen?) fordern -- nur haben sie dafür ausser ihrer Entrüstung keine Grundlage. Denen kann man nur eines zurufen: "Fuck. Dot. You. Period."

Assange ist mir persönlich unsympathisch. Der Mann geht mir instinktiv einfach gegen den Strich. Seine Plattform auf der anderen Seite ist für mich eine der wichtigsten im Internet. Denn sie macht etwas, das eigentlich Aufgabe des Qualitätsjournalismus wäre ... nur das der seiner Aufgabe seit Ewigkeiten nicht mehr nachkommt, warum auch immer. Vielleicht hat er das noch nie getan; aber gefühlsmäßig kommt es mir so vor, als ob die Presse vor 30+ Jahren noch kritischer gewesen wäre. Ich kann das ausserhalb weniger Perlen wie Watergate etc. aber nicht wirklich belegen. Ich habe aber den Verdacht, dass heute kein Presseorgan mehr etwas wie die Artikel von Woodward und Bernstein bringen würde. Jedenfalls nicht auf der Titelseite.

Durch die Kriegstagebücher, und mehr noch durch "Collateral Murder" wurde offenbar -- trotz aller Kassandrarufe -- niemand in Gefahr gebracht. So viel zum Thema "Verantwortungslosigkeit" seitens WikiLeaks. Es gab keine Opfer. Es wurde aber der Blick der Öffentlichkeit darauf gerichtet, was da unten wirklich abgeht -- und das ist finster und ein Armutszeugnis für uns alle. Wie auch immer: die Presse hat nichts dergleichen berichtet. Was in meinen Augen bedeutet, dass man die Presse einfach vergessen kann. Sie verrät einem alles, aber nicht die Wahrheit. Journalistenethos? LOL.

Jetzt diese neusten "Enthüllungen". Angeblich schaden sie der internationalen Diplomatie. Aber warum? Nur weil sie die Mitwirkenden als die armseeligen Gestalten enthüllen, die sie nun einmal sind? Beispiel: dass Westerwelle ein planloser, egotistischer Vollhonk ist ist ja nun nichts neues; ich war nur überrascht dass ausgerechnet ein Ami den Durchblick hat das auch zu merken. Und Westerwelle? Nun ja, der ist wie er ist. Sehen kann das jeder. Er hat jetzt zwei Möglichkeiten: entweder er macht so weiter wie bisher und ignoriert Cablegate, oder er versucht sich auf Grund dessen zu verbessern. Letzteres wird ein frommer Wunsch bleiben (es _kann_ ja nicht an ihm liegen), aber alles was diese Depesche getan hat, ist ihn bloßzustellen. Damit muss ein unfähiger Politiker umgehen können. Oder auch nicht. Dumm gelaufen, und allein sein Problem. Das gleiche gilt für Merkel, Seehofer, Berlusconi und Sarkozy, und wie sie alle heißen. Alles nicht gerade Vorbilder. Eher das Gegenteil: mit denen will man nicht mal nach Feierabend ein Bierchen trinken gehen. Schaden wurde durch Cablegate keiner angerichtet. Ausser am Ego von Leuten die eh schon ein aufgeblasenes haben. Ein bisschen Deflation kann hier nicht schaden.

Montag, 1. November 2010

Soifz...

Ich bin ja normalerweise eher nicht so der Tagebuchschreiber auf meinem Blog. Aber ich habe mir letzthin mal wieder nach ewigen Zeiten "The Court Jester" mit Danny Kaye auf DVD angeschaut. Ich kenne den Film seit meiner Kindheit, und hatte ihn bis dato nicht im englischen Original gesehen; auf alle Fälle ist da die Szene mit dem "Pokal mit dem Portal, und dem Kelch mit dem Elch" noch besser als auf deutsch.

Wie auch immer: ich habe danach mal auf Youtube rumgeguckt, und bin dabei auf dieses Juwel gestoßen: 

Meine Güte, hatten die Jungs Spass. Ich kann nicht aufhören zu grinsen wenn ich mir das anschaue. Das macht mir echt gute Laune. Das ist wie Reggae und Bob Marley, die bei mir eine Sehnsucht nach Karibik hervorrufen.

Und ich sehe heutzutage wenig vergleichbares. Ich glaube, das letzte Mal dass ich einen Musiker derartig Spaß beim Musikmachen gesehen habe war irgendwann Anfang der 90er... Maisha Grant im Jazzkeller in Weinheim, glaub ich. Und das war mehr Blues als alles andere; trotzdem sind da über 60-jährige Opis (aus meiner damaligen Sicht), vollkommen unfähig die Füsse stillzuhalten, über die Tische gemoonwalked (kein Scheiss). Weltklasse. Genauso wie das Konzert hier... da wär ich gern dabeigewesen.

Samstag, 9. Januar 2010

Bezahlinhalte im Internet

Es gibt anscheinend tatsächlich Menschen, die von ihrer Grundeinstellung her nicht mehr mit der modernen Zeit klarkommen. Rupert Murdoch ist einer davon; die Macher hinter dem Springer-Verlag gehören wohl auch dazu. Beide wollen die Zeit zurückdrehen, zurück zu den Zeiten, in denen sie a.) in Geld schwammen und b.) mit einem Federstreich ohne jede Opposition und ohne Folgen die öffentliche Meinung machen konnten. Zumindest in ihrer Wahrnehmung funktioniert das heute nicht mehr flächendeckend. Warum? Genau, der Feind: das Internet ist schuld.

Nicht dass sie nicht immer noch in Geld schwämmen, und nicht dass es nicht noch immer genug Wahlvieh gäbe, das ihre Produkte unreflektiert konsumiert -- aber ihre Stellung ist eben nicht mehr so marktbeherrschend wie in der guten alten Zeit. Das ist schlecht, aus ihrer Sicht jedenfalls. Also wettert man jetzt über die "Umsonstkultur" des Internets, warnt vor den Folgen für die "Kreativwirtschaft" und versucht, Geld mit Bezahlinhalten zu machen ... und das, nachdem man jahrelang den einzigen Anteil, den Verlagshäuser an der "Kreativwirtschaft" haben -- gute Redaktionen, und gute, fest angestellte Journalisten -- systematisch hingerichtet hat. Kein Wunder also wenn die Verkaufszahlen zurückgehen.

Moment mal... einziger Anteil? Yep. Ein Verlag ist nicht kreativ. Eine Zeitung ist nicht kreativ. Beides sind Vehikel zum Geld drucken und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung für Menschen wie Rupert Murdoch. Das ist nicht per se erhaltenswert. Wenn die Springer-Presse morgen komplett Insolvenz anmelden müsste, würde sie nur von den ewig gestrigen Blöd-Lesern vermisst werden. Eine Zeitlang. Bis irgendein anderes Erzeugnis diese Nische füllt oder ihre ADHS-ähnliche Aufmerksamkeitsspanne sie alles vergessen lässt.

Die "Kreativen", sprich, die Mitarbeiter in den wenigen übriggebliebenen ernstzunehmenden Redaktionen, und die wenigen guten, investigativen Journalisten wurden in den letzten Jahren zunehmend "freigesetzt", arbeiten jetzt auf selbstständiger Basis oder schreiben eher für Werbeagenturen denn für Zeitungen. Die verbliebenen festen Mitarbeiter schreiben im Wesentlichen von der Konkurrenz ab, oder zitieren Agenturmeldungen. Auch das ist nicht per se erhaltenswert -- im Gegenteil: das braucht kein Mensch. Good riddance. Das große Zeitungssterben kann beginnen, und zumindest so wie die Zeitungen heutzutage aufgestellt sind ist das auch kein Verlust.

Der neuste Rettungsanker ist ja nun, die eigenen Inhalte kostenpflichtig zu machen, sprich, als Abonnent des Druckerzeugnisses darf ich die Online-Inhalte kostenlos lesen, und als Nicht-Abonnent muss ich ähnlich viel zahlen wie für ein Print-Abo wenn ich die Online-Inhalte lesen möchte. So jedenfalls die Idee. Meiner Meinung nach ist das kein Rettungsanker; es gleicht eher dem Einlegen des 5. Gangs 100 m vor dem Abgrund. Hoffentlich haben die Jungs einen Fallschirm dabei.

sic transit gloria mundi

Warum ich das für eine schlechte Idee halte? Ganz einfach: weil sich in weiten Teilen der Bevölkerung (zumindest unter den Netzaffinen) das Konsumverhalten was Nachrichten angeht komplett verändert hat. Und zwar nicht nur aufgrund der "Umsonstkultur".

Ich persönlich konsumiere meine Nachrichten jetzt seit ca. 15 Jahren praktisch ausschliesslich online. Fernsehen erschöpft sich bei mir i.A. in einmal die Kanäle rauf- und runterzappen, einmal traurig Kopfschütteln weil schon wieder nichts vernünftiges kommt, und dann einen Druck auf den Aus-Knopf der Fernbedienung. Radio höre ich auf längeren Autofahrten, und auch nur dann wenn ich keine Lust auf die eigenen "Musikkonserven" habe. Die Tageszeitung habe ich abgeschafft, als ich festgestellt habe, dass ich morgens beim Frühstück nicht zu viel mehr kam als zum Lesen der 1. Seite und zum Überfliegen von ein paar weiteren Seiten. Das heisst, ich war trotz Print-Abo immer noch schlecht informiert, denn ich las ja nur wenige Artikel, jeder Artikel spiegelt ja nur eine Meinung wieder, und mehr als die eine Meinung zum gegebenen Thema gab es nicht. Dennoch hat allein die Tageszeitung einen 40cm Altpapierstapel produziert -- pro Monat. Was eine Umweltschweinerei. Und wie ineffektiv.

Heutzutage konsumiere ich Nachrichten aus jeder Online-Quelle derer ich habhaft werden kann. News-Aggreatoren helfen beim Finden von interessanten Themen oder Überschriften. Kommt ein Artikel einem plausibel vor, schaut man zwecks Kontrolle vielleicht noch einen anderen an. Kommt der Artikel einem spanisch vor, vertieft man die Recherche (über andere Publikationen, oder Google) bis man das Gefühl hat einigermaßen zu verstehen was vorgeht. Dabei sind die Publikationen völlig irrelevant. Ich lese nicht mehr den Spiegel, die Welt, die Zeit oder das Humbuger Käseblatt ... ich suche nach Nachrichten zu einem Thema. Jede der vorgenannten Publikationen mag in der Trefferliste sein (oder auch nicht), aber eben ebenso ein Wikipedia-Eintrag, der Blog irgendeines abgedrehten Verschwörungstheoretikers oder eine offizielle Regierungsverlautbarung. Ich bin nicht mehr zufrieden mit wenigen oder gar nur einer einzigen Publikation -- deren Weltblick ist mir zu eingeschränkt.

Und wie mir geht es vielen, vielen Leuten die ernsthaft Nachrichten lesen möchten. In meinem Bekanntenkreis ist praktisch jeder so drauf; die Methoden unterscheiden sich ein wenig, aber im Prinzip denken alle so. Und da liegt auch das Problem des "Rettungsankers". Ich zahle nicht einzeln für das Humbuger Käseblatt. Punkt. Nicht mal 10 ct/Monat. Auch nicht für SPON, wobei ich mich dort relativ oft herumtreibe. Schon gar nicht für "Blöd". Ich wäre willens, eine Art "Flatrate" (so die in einem vernünftigen Rahmen bleibt) zu bezahlen, wenn ich dafür "alles" bekomme, soll heissen, nicht nur die Erzeugnisse eines einzelnen Verlagshauses, sondern zumindest alle großen Online-Publikationen samt ihrer Archive bis zurück zur Bibliothek von Alexandria. Ich bin keinesfalls willens, mich bei x Publikationen einzeln anmelden zu müssen, und mich womöglich noch mit verschiedenen Online-Bezahlsystemen auseinandersetzen zu müssen. Jede Publikation, die das von mir erwartet, überschätzt ihre eigene Wichtigkeit maßlos und ist "raus". Da sehe ich mich trotz potentiellen Qualitätssturzes dann lieber bei der "Umsonst"-Fraktion um, die es weiterhin geben wird. "Flatrate", Single-Sign-On und EIN Zahlsystem, und ich wäre dankbar wenn das nicht freaking PayPal wäre (don't get me started). Alles andere: danke, aber nein danke. Egal was die Herren Murdoch und Döpfner rauchen und wovon sie Nachts träumen. Das wäre mir, oh, sagen wir mal etwas in der Größenordnung von 15€ / Monat wert. Das reicht nicht um das Angebot zu erhalten? Dumm das; dann dünnt sich das Angebot eben aus; wie gesagt: weder Publikationen noch Verlagshäuser haben irgendeinen intrinsischen Wert. Mehr Kohle gibts nicht. Vielleicht landen wir dann bei einer relativ kleinen Anzahl Publikationen, die wenigstens alle wieder guten Journalismus machen.

Das heisst, ich bin die falsche Kundschaft für die Ideen von Döpfner & Murdoch. Ich habe auch kein IPhone, werde mir vermutlich auch keins anschaffen, und ob es da irgendwelche Springer-Apps gibt, ist mir egal. Und ich habe den leisen Verdacht, dass es die Kundschaft für deren unausgegorenen Ideen auch nicht gibt -- was dann heissen würde, dass der Abgrund immer näher kommt und ihre Zeit tatsächlich vorbei ist. Naja, warten wir ab ob sie einen Fallschirm dabei haben <Popcorn rausholt>.

Sonntag, 21. Juni 2009

Ein Gespenst geht um in Deutschland


Sicherheit! Kontrolle! Um jeden Preis, komme was da wolle.

Rasen betreten verboten! Überwachung. Kameras, Zäune, Schranken, Ausweiskontrollen, Ausgangssperren (okay, das ist Stufe 2). Handschellen für alle. Fenster verrammeln! Zensiert das Internet, oder wir werden alle zu pädophilen Bombenbauern! Vorschriften! Mehr Vorschriften! Noch härtere Vorschriften! Die Urheberrechts-Piraten gefährden die Existenz der Industrie. Verklagt alle und jeden! Baut mehr Gefängnisse. Bringt die Wasserwerfer und Metallkäfige aus Heiligendamm. Alles Terroristen! Besonders die Kinder, die Amokläufer, die mit "Killerspielen" das Zielen trainieren (grandioses Beispiel für Manipulation durch Massenmedien, übrigens, Ansehen ist Pflicht falls noch unbekannt!). Ermächtigt das BKA!

Schäuble, God, and no quarter!

Alles in Ordnunkk! Hurraaaaah!


Sicherheit? Wirklich? Fragt sich nur für wen.

Ich fühle mich eingeengt und drangsaliert, weiter nichts. Ich bin hinreichend sicher dass ich an jeder Sperre vorbeikomme, die unsere liebe Regierung sich einfallen lässt, das heisst ich brauche mir um unzensierte Informationen eigentlich keine Sorgen machen. Eigentlich betrifft mich das ganze persönlich überhaupt nicht, zumindest bis S-Tunnel, VPNs und Anonymisierungsnetzwerke verboten werden. Und dann packt man die Trickkiste aus. Ich bin über 18 und darf die meisten Dinge denn letzten Endes doch, wenn es auch mehr Aufwand erfordert, weil ich beispielsweise mein neues Spiel in England kaufen muss, da man in Deutschland nur die verkrüppelte BPjM-Version (noch so ein Hassthema) bekommt.

Und dennoch... es fühlt sich an, als würde man ganz langsam in eine Plastikplane eingewickelt werden und könne nicht mehr richtig atmen, und sich nicht mehr rühren. Und man lebt ja nicht isoliert; wenn alle so drauf sind wie die Regierung kann man nur noch auswandern. Nur... wohin denn bloß? Hat mal eben jemand ein Raumschiff? Auch wenn das jetzt etwas melodramatisch kommt: so langsam kann ich den Song hier echt verstehen. Ob das wohl schon beginnende Paranoia ist?

Ich fühle mich hierzulande auch nicht mehr wirklich sicher (und das nicht weil ich Kinderpornos sehen will, kostenlos Filme oder Musik saugen will, oder übermäßig Killerspiele zocke -- die meisten Ego-Shooter finde ich totlangweilig, meine Spiele, DVDs und CDs kaufe ich mir, danke der Nachfrage, und nope, ich bin nicht pädophil). Ich fühle mich spätestens seit Donnerstag abend nicht mehr sicher, seit die große Koalition dieses infame Sperrgesetz durchgewunken hat, und selbst bei den Grünen ein Drittel aller Abgeordneten sich der Stimme enthalten hat, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, dass das Gesetz zwar technisch ein Graus ist, aber seine Intention ja im Prinzip in Ordnung. So habe ich das Statement zumindest verstanden. Danke Frau Deligöz, das Gesetz ist also "zudem technisch unzureichend, nicht sachgerecht und zu wenig spezifisch auf die Notwendigkeiten im Kampf gegen Kinderpornographie und sexuelle Ausbeutung von Kindern in Kommunikationsnetzwerken ausgerichtet", aber man kann es nicht geradeheraus ablehnen, weil ... yadda, yadda, yadda? Sorry, Sie sind unwählbar, und ziemlich peinlich. Die Schere im Kopf am Werk, und keine Ahnung wovon man redet.

Da prasseln einem momentan im Salventakt neue Meldungen darüber um die Ohren, welcher Vollspakk jetzt schon wieder ein neues Verbot fordert, ohne dass irgendein vernünftiger Mensch einen Grund dafür sehen könnte. Ok, es ist Wahlkampf, aber es ist auch sehr merkwürdig, dass Herr Schäuble sich aus der Debatte um Internetsperren gegen Kinderpornos mehr oder weniger -- und vollkommen untypisch -- heraushält, und bevor die Leiche des Art. 5 Abs. 1 GG kalt ist kommt sein Schwiegersohn daher, und fordert eine Ausweitung der Sperren auf "Killerspiele", die ja auch verboten werden sollen. Die SPD will die Sperren über ganz Europa verbreiten. Musik-, Spiele- und Filmindustrie stehen auch schon Schlange. Ach ja, und sperren wir rechtsradikale und radikalislamische Inhalte. Die BPjM soll einen Spieleversender in Österreich indizieren, der online verkauft, und zwar nur, wenn der Käufer über ein Konto oder eine Kreditkarte verfügt, was bei den meisten 12-jährigen kaum der Fall sein dürfte. Und wenn es doch mal der Fall sein sollte, dann sollten sich verf**** nochmal die Eltern darum kümmern, was ihre Sprößlinge so mit ihrem Konto und ihrem Computer anstellen, anstatt selber lieber DSDS zu glotzen und nach staatlicher Kontrolle zu rufen als sich um ihre eigene Verantwortung zu kümmern.

Führende Politiker benutzen ihre Beziehungen selbst zu ihren Ehepartnern, um ihre Position voranzubringen (Krogmann ist mit einem Bild-Chefredakteur verheiratet, Guttenbergs Frau mischt bei Innocence in Danger mit, etc.). Die SPD-Führung knüppelt einen Antrag in den eigenen Reihen auf dem Parteitag letzten Sonntag einfach mal mit der Begründung nieder, diese Diskussion wäre "medial unerwünscht", obwohl alles was der nicht ossifizierte, und nicht geriatrische Teil der SPD wollte, war, den anderen noch einmal zu erklären warum Zensur nicht gut ist, und sie zu bitten das Zensur-Gesetz nicht mitzutragen. Und am nächsten Tag ist der Antragssteller "Verlierer des Tages" in der Bild. Während kurz darauf Ursula von der Leyen "Gewinnerin des Tages" ist, mitsamt dem Tag "Frauenpower". Gut, dass Politik ein widerliches, schmutziges Geschäft ist hat man ja abstrakt schon lange vermutet, aber derart offen und ungeniert vorgelebt hat man das bisher nicht bekommen. Wenn man das nicht zum kotzen findet, braucht man eine Moralprothese.

Das muss man sich mal geben: ich fühle mich von Terroristen wesentlich weniger bedroht als von meinem eigenen Staat, und meinen gewählten Volksvertretern und ihren Handlangern und Puppenspielern. Das Gefühl ist noch auszuhalten, aber ich komme mir momentan vor wie eine Cartoonfigur, die irgendwohinläuft, krach, ein Stahlträger fällt vom Himmel, sich umdreht, boinngggg, sie bekommt einen Rechen vor den Kopf geknallt, zurücktaumelt... sie fällt in eine Grube. Sie klettert wieder raus... da rast ein Auto auf sie zu.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: dieses bornierte, vernagelte, engstirnige, sicherheits- und regelvernarrte Denken zieht sich quer durchs ganze Volk; wir waren gestern auf einer Grillparty, und ich habe dort eine alte Bekannte wiedergetroffen, die, sagen wir mal, recht konservativ ist. Als es damals um die Vorratsdatenspeicherung ging, meinte sie, sie hätte ja nichts zu verbergen und wenn es gegen Terroristen hilft, ist das doch okay. Und gestern war ihre ursprüngliche Meinung zum Zensurgesetz ein uninformiertes "ist doch gegen Kinderpornos, und damit gut... und die Gegner wollen doch sowieso nur ein rechtsfreies Internet". Ich hoffe mal, wir haben ihr klarmachen können dass dem nicht so ist. Ich muss auch zu ihrer Ehrenrettung sagen, dass ihr das Internet ziemlich egal ist. Aber scheinbar denkt der Großteil der Bevölkerung so.

Aber selbst diese Bekannte hat sich gestern über das übersteigerte Sicherheitsbedürfnis beispielsweise bei Eltern lustig gemacht. Ich kannte den Text noch nicht, aber von "Wir waren Helden" hat sie mir erzählt (okay, ich habe mir 1983 meinen ersten Computer -- von meinem Geld -- gekauft, und vorher schon bei einem Kumpel mit einem TI-99/4A rumgespielt... hey, ich bin ein Geek, und stolz darauf; aber ansonsten: full ack zu dem Text). Ein Freund von mir ist Lehrer, und zwar einer von den guten, der seine Schüler (meistens) motivieren kann, Stoff gut vermitteln kann, und auch sonst soziale Kontakte zu seinen Schülern pflegt... und der wurde zum Schulleiter zitiert, weil er es gewagt hat einer Schülerin in einer Klausur 2 Punkte zu geben. Sie hatte genau eine halbe Frage richtig beantwortet. Und die Mutter geht zum Schulleiter und beschwert sich über die Frechheit des Lehrers... und der Schulleiter drängt den Lehrer, seine "Benotung doch noch einmal zu überdenken". Irgendwas läuft hier grundfalsch. Wir sind nicht alle gleich. Wir sollten uns auch nicht gleichschalten lassen.

Ich weiss nicht was da mit uns passiert ist. Aber es ist gruselig.

Samstag, 20. Juni 2009

Niemand will chinesische Verhältnisse ... is klar

Ich bin eben beim Stöbern auf heise.de auf diesen Artikel hier gestoßen. Gut, der ist schon was älter, ging aber damals spurlos an mir vorbei. Aber ein echter Leckerbissen, sozusagen; denn er zeigt das Demokratieverständnis zumindest eines Teils unserer Politiker. Uschi, Krogmann, die Noll und Schäuble sind auch nicht weit dahinter. Wenn überhaupt. Es ist auch klar, dass das nur seine Meinung wiedergibt, aber der Mann ist immerhin zumindest in Niedersachsen ein hohes Tier.

Keine Frage, Schünemann ist, was man im angelsächsischen Sprachraum als "cerebrally challenged" bezeichnen würde, und er ist ja auch öfter als jeder andere Politiker der mir im Moment einfiele mit brachialen Aussagen und Bombastrethorik pro Unterdrückungsstaat aufgefallen, insbesondere Richtung Killerspiele, die für ihn der Grund für den Untergang des Abendlandes sind.

Aber das hier? Das ist schlimmer als die chinesische Variante, denn als Chinese kann man die Software zumindest nicht installieren, oder sollte sie schon installiert sein wenn man einen neuen Rechner kauft, dann kann man sie deinstallieren. Man macht sich damit vermutlich verdächtig, aber sei's drum. Bei Schünemanns Vorschlag käme man nicht mal ins Internet, wenn man nicht willens wäre die Software laufen zu lassen. Und er fordert, dass der Staat die Installation dieser Software zur Pflicht macht. "Schünemann räumte ein, dass es keinen hundertprozentigen Schutz gebe. Mit der Filterpflicht würde aber zumindest die Mehrzahl der deutschen Nutzer an einem Zugriff auf kinderpornografische Internet-Seiten gehindert." Ohhh kaayyy. Wir werden mal wieder unter Generalverdacht gestellt. Jeder ein Pädophilenschwein.

Mal davon abgesehen, dass das technisch ... anspruchsvoll wäre (man bräuchte die Software ja immerhin für jedes Betriebssystem -- hat mal eben jemand den Filter für RISC OS V 3? Ich hab auch irgendwo noch ne CD mit ner VM mit BeOS drauf rumfahren... und was ist eigentlich mit Surfen aus ner VM die den Netzwerkadapter des Hosts shared? VPN?) ... hat der Mann eigentlich noch ein einziges, funktionsfähiges Ganglion? Und sowas wird Innenminister von Niedersachsen? Der sollte mal lieber in seinen Schützenverein gehen und unter Gleichgesinnten ein bisschen Amok laufen.

Wir gehen jetzt nach Frankfurt auf die Demo.

Freiheit statt Angst!

Freitag, 19. Juni 2009

Das Zensurgesetz ist durch


Crivens!!!


Ich glaube ich war noch nie so, hm ... dauerwütend? Entrüstet? Entsetzt? Fassungslos? Eigentlich gibt es kein deutsches Wort für das was ich gerade bin. Überrascht bin ich nicht, es war ja absehbar, aber bisher habe ich es wohl trotz allem nicht glauben oder nicht wahrhaben wollen, wie komplett man die Damen und Herren der Großen Koalition im Bundestag pauschal in die Tonne treten kann.

Ich bin ein Mensch, der sich relativ schnell einmal über irgend etwas aufregt, und weil er das weiss dann tief einatmet, einen Schritt zurück macht, sich das ganze noch einmal ein Stückchen abstrakter anschaut, und sich dann wieder abregt, weil es letzten Endes die Aufregung dann doch nicht wert war. Das geht normalerweise ziemlich schnell. Seit gestern abend aber hat sich für mich etwas geändert. Ich glaube kaum, dass ich von dieser ... moralischen Entrüstung, die ich hier verspüre, so schnell wieder runterkommen werde. Ich habe eigentlich gestern schon etwas dazu schreiben wollen, aber ich habe mir das verkniffen weil ich sonst vermutlich ziemlich ausgetickt wäre.

Das was da gestern im Bundestag abgelaufen ist ist etwas neues, und nicht nur wegen der zynischen Manipulation von Informationen, und der Heuchelei dahinter. Es betrifft mich, direkt, persönlich und für alle Zukunft. Nicht weil ich pädophil wäre, oder mir Kinderpornos anschauen wollte. Es betrifft nicht nur mich, sondern uns alle, weil die Große Koalition gestern die Abschaffung eines der tragenden Pfeiler unserer sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung beschlossen hat -- und das aus keinem weiteren Grund heraus, als dass diverse "Personen" (um einigermaßen höflich zu bleiben) sich mit dem vermeintlichen Kampf gegen das Leid von Kindern im Wahlkampf hervortun wollen. Ich will diese Leute mitsamt ihrer Chefin ein für alle Mal aus der Politik meines Landes raushaben. Sie kamen und kommen ihrer Aufgabe nicht nach. Die haben nicht mal Hartz IV verdient. Die meisten der Scharfmacher hatten es gestern ja nicht einmal nötig, auch im Bundestag anwesend zu sein und über ihr eigenes Machwerk mit abzustimmen. Sie waschen ihre Hände in Unschuld.

Die Regierung, Frau von der Leyen und ihre willfährigen Mitblondinen, Herr von und zu Guttenberg und auch Herr Schäuble haben KEINE nachvollziehbaren und wissenschaftlich fundierten Zahlen zur Untermauerung ihrer Aussagen. Nicht eine. Die Zahlen die sie haben sind unbeweisbar und aus zweifelhafter Quelle, oder es sind bewußte Fehlinterpretationen, etwa ein Anwachsen von Kinderpornografie-Delikten allein im Jahr 2008 um 110%, die aber einer absolut ergebnislosen Massenrazzia geschuldet sind -- 12.000 Menschen, die hier anscheinend weitgehend unberechtigt verdächtigt wurden, und so gut wie keine Verurteilungen. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse zu den Ausmaßen des Kinderporno-Marktes. Es gibt keine Erkennisse über die tatsächliche Verbreitung von Kinderpornografie, es gibt keine Informationen über Ausmaß und Struktur der "Szene". Es gibt keine Erkenntnisse darüber, in welchen Ländern man Kinderpornos nicht über eine Abuse-Mail vom Netz nehmen kann, oder auch nur darüber in welchen Ländern solches Material nicht strafbar wäre. Es gibt nur sesselpupsende BKA-Fuzzies, die eine KiPo-Seite finden, nach SOP Interpol benachrichtigen, die dann Europol benachrichtigen, die dann die nationale Polizei benachrichtigen, die dann nichts mehr unternehmen kann weil der Server vor Monaten weitergezogen ist.

Und es gibt keine Garantien dafür, dass diese Sperren nicht mißbraucht werden; ja, es gibt nicht einmal ansatzweise ernsthafte Maßnahmen gegen Mißbrauch in dem neuen Gesetz... fünf wie auch immmer ausgewählte Hansels sollen einmal im Quartal stichprobenartig überprüfen, ob denn zu Recht gesperrt wird? In einem Rechtsstaat gehört kontrolliert BEVOR gesperrt wird. Und noch einmal: es wird gesperrt, nicht gelöscht. Da steht zwar ein Lippenbekenntnis im Gesetz, aber es liegt im Ermessen des BKA (das hier sowieso keine Hoheit hat), zu entscheiden was man sperrt, ob man überhaupt versucht zu löschen oder doch lieber sperrt, und ob und wie man das verfolgt. Das geht so überhaupt gar nicht. Gewaltenteilung ist die Devise, bzw. muss wieder die Devise werden.

Und diese Blondinen stellen sich dann auch noch hin und sagen: wir gehen nur gegen Kinderpornos vor -- was eine andere Regierung noch oben draufsetzt, ist nicht unser Problem. Scheinheiligkeit pur.

Die SPD hat gestern in meinen Augen ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. Ihre Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl werden vermutlich noch armseliger ausfallen als bei der Europawahl. Und das zu Recht, und es wird schlimmer werden. Eine Partei, die sich sozialdemokratisch schimpft, aber sich eigentlich jedem anbiedert, der sie potentiell wählen könnte, und niemandem wehtun möchte, hat keine Existenzberechtigung mehr. Mehr oder weniger die einzigen in der Fraktion, die man noch ernst nehmen kann sind Herr Tauss und Herr Böhning. Die SPD ist zur Polithure verkommen. Und je schneller sie weg vom Fenster ist, desto besser. Die SPD gehört aufs Altenteil, und das ist eigentlich noch zu gut für sie.

Ich gehe am Samstag demonstrieren. Meine Süsse auch. Und hoffentlich noch viele, viele andere.

Donnerstag, 18. Juni 2009

Es wird immer besser

Wirklich unglaublich... da unterzeichnen mehr als 130.000 Menschen eine Online-Petition, und das unter Angabe ihres Namens und ihres Wohnortes -- und werden im günstigsten Falle ignoriert, und in Wahrheit entweder verunglimpft und implizit mindestens als Kinderfickersympathisanten hingestellt, oder als "jugendliche Randgruppe" belächelt.

Was man dabei anscheinend übersieht... diese 130.000 sind "nur" diejenigen, die engagiert und couragiert genug sind, ihren Protest öffentlich zu machen. Die Anzahl derer, die gegen solche Maßnahmen sind, dürfte aber weit höher sein. Es gibt ziemlich viele Leute, die sagen, sie trauen sich nicht sich öffentlich dazu zu bekennen, oder denen die notwendige Registrierung für die Petition nicht zusagt.

Aber OK, machen wir uns nichts vor: sie sind immer noch eine Minderheit. Dem über 60-jährigen, bildzeitungslesenden Hauptschüler (nach Wahlstatistiken zur Europawahl kann man zumindest argumentieren, das wäre die Hauptgruppe der CDU-Wähler -- die Zahl der CDU-Wähler steigt mit dem Alter, und mit sinkender Bildung), dessen Vater auch schon immer konservativ gewählt hat, ist das Internet völlig egal. Er kennt es nicht, er benutzt es nicht. Daher sind ihm auch Internetsperren gleichgültig; sie betreffen ihn nicht. Und wenn man ihm dann erzählt, hey, da gibt es Kinderpornografie, es ist schrecklich, es wird immer schlimmer, und wir müssen jetzt sperren ... dann wird er ohne weitere Informationen und Mangels adäquater Aufklärung über die Auswirkungen und den Sinngehalt der Sperren natürlich dafür sein. So gesehen bei der Umfrage der Deutschen Kinderhilfe. Es sieht aber schon völlig anders aus, wenn man Alternativen aufzeigt und erklärt, worum es geht, was ja MOGIS eindrucksvoll gezeigt hat.

Irgendwie muß unser Protest in die Massenmedien, und zwar nicht in eine Kolumne auf Seite 9 irgendeiner Zeitung oder einen Fernsehbeitrag, der nachts um halb eins ausgestrahlt wird. Das ist leider die Öffentlichkeitswirkung, die wir bisher erreicht haben. Und damit erreichen wir nichts und niemanden.

Aber ich schweife (mal wieder ;-)) ab.

Der eigentliche Grund für diesen Beitrag ist folgender: heute sollen ja die Sperren beschlossene Tatsache werden. Das wird wohl auch so sein, die Frage ist lediglich in welcher Form.

Ich poste jetzt einfach mal einen Link. Zu mehr bin ich momentan nicht in der Lage, sonst platzt mir irgendwo eine Ader. Hier ist der Zeitplan des Bundestags dazu. Interessant sind hier die Zeit zwischen 17:40 und 18:30, die wie im Link dargestellt mit einem wichtigen gesellschaftlichen Ereignis in der Hauptstadt kollidiert (schauen wir mal wieviele Abgeordnete an der Abstimmung teilnehmen), und die Zeit von 05:35-05:40 am Freitag Morgen, bei dem die Redebeiträge lediglich zu Protokoll gegeben (sic!) werden und eigentlich gar nicht abgestimmt wird. Andere Dinge, wie etwa Ratingagenturen, Biopatentrecht, "Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten" usw. werden auf die gleiche Art und Weise abgehandelt.

Und da wundert sich noch irgendwer über Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit? Was für eine Farce.