Samstag, 9. Januar 2010

Bezahlinhalte im Internet

Es gibt anscheinend tatsächlich Menschen, die von ihrer Grundeinstellung her nicht mehr mit der modernen Zeit klarkommen. Rupert Murdoch ist einer davon; die Macher hinter dem Springer-Verlag gehören wohl auch dazu. Beide wollen die Zeit zurückdrehen, zurück zu den Zeiten, in denen sie a.) in Geld schwammen und b.) mit einem Federstreich ohne jede Opposition und ohne Folgen die öffentliche Meinung machen konnten. Zumindest in ihrer Wahrnehmung funktioniert das heute nicht mehr flächendeckend. Warum? Genau, der Feind: das Internet ist schuld.

Nicht dass sie nicht immer noch in Geld schwämmen, und nicht dass es nicht noch immer genug Wahlvieh gäbe, das ihre Produkte unreflektiert konsumiert -- aber ihre Stellung ist eben nicht mehr so marktbeherrschend wie in der guten alten Zeit. Das ist schlecht, aus ihrer Sicht jedenfalls. Also wettert man jetzt über die "Umsonstkultur" des Internets, warnt vor den Folgen für die "Kreativwirtschaft" und versucht, Geld mit Bezahlinhalten zu machen ... und das, nachdem man jahrelang den einzigen Anteil, den Verlagshäuser an der "Kreativwirtschaft" haben -- gute Redaktionen, und gute, fest angestellte Journalisten -- systematisch hingerichtet hat. Kein Wunder also wenn die Verkaufszahlen zurückgehen.

Moment mal... einziger Anteil? Yep. Ein Verlag ist nicht kreativ. Eine Zeitung ist nicht kreativ. Beides sind Vehikel zum Geld drucken und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung für Menschen wie Rupert Murdoch. Das ist nicht per se erhaltenswert. Wenn die Springer-Presse morgen komplett Insolvenz anmelden müsste, würde sie nur von den ewig gestrigen Blöd-Lesern vermisst werden. Eine Zeitlang. Bis irgendein anderes Erzeugnis diese Nische füllt oder ihre ADHS-ähnliche Aufmerksamkeitsspanne sie alles vergessen lässt.

Die "Kreativen", sprich, die Mitarbeiter in den wenigen übriggebliebenen ernstzunehmenden Redaktionen, und die wenigen guten, investigativen Journalisten wurden in den letzten Jahren zunehmend "freigesetzt", arbeiten jetzt auf selbstständiger Basis oder schreiben eher für Werbeagenturen denn für Zeitungen. Die verbliebenen festen Mitarbeiter schreiben im Wesentlichen von der Konkurrenz ab, oder zitieren Agenturmeldungen. Auch das ist nicht per se erhaltenswert -- im Gegenteil: das braucht kein Mensch. Good riddance. Das große Zeitungssterben kann beginnen, und zumindest so wie die Zeitungen heutzutage aufgestellt sind ist das auch kein Verlust.

Der neuste Rettungsanker ist ja nun, die eigenen Inhalte kostenpflichtig zu machen, sprich, als Abonnent des Druckerzeugnisses darf ich die Online-Inhalte kostenlos lesen, und als Nicht-Abonnent muss ich ähnlich viel zahlen wie für ein Print-Abo wenn ich die Online-Inhalte lesen möchte. So jedenfalls die Idee. Meiner Meinung nach ist das kein Rettungsanker; es gleicht eher dem Einlegen des 5. Gangs 100 m vor dem Abgrund. Hoffentlich haben die Jungs einen Fallschirm dabei.

sic transit gloria mundi

Warum ich das für eine schlechte Idee halte? Ganz einfach: weil sich in weiten Teilen der Bevölkerung (zumindest unter den Netzaffinen) das Konsumverhalten was Nachrichten angeht komplett verändert hat. Und zwar nicht nur aufgrund der "Umsonstkultur".

Ich persönlich konsumiere meine Nachrichten jetzt seit ca. 15 Jahren praktisch ausschliesslich online. Fernsehen erschöpft sich bei mir i.A. in einmal die Kanäle rauf- und runterzappen, einmal traurig Kopfschütteln weil schon wieder nichts vernünftiges kommt, und dann einen Druck auf den Aus-Knopf der Fernbedienung. Radio höre ich auf längeren Autofahrten, und auch nur dann wenn ich keine Lust auf die eigenen "Musikkonserven" habe. Die Tageszeitung habe ich abgeschafft, als ich festgestellt habe, dass ich morgens beim Frühstück nicht zu viel mehr kam als zum Lesen der 1. Seite und zum Überfliegen von ein paar weiteren Seiten. Das heisst, ich war trotz Print-Abo immer noch schlecht informiert, denn ich las ja nur wenige Artikel, jeder Artikel spiegelt ja nur eine Meinung wieder, und mehr als die eine Meinung zum gegebenen Thema gab es nicht. Dennoch hat allein die Tageszeitung einen 40cm Altpapierstapel produziert -- pro Monat. Was eine Umweltschweinerei. Und wie ineffektiv.

Heutzutage konsumiere ich Nachrichten aus jeder Online-Quelle derer ich habhaft werden kann. News-Aggreatoren helfen beim Finden von interessanten Themen oder Überschriften. Kommt ein Artikel einem plausibel vor, schaut man zwecks Kontrolle vielleicht noch einen anderen an. Kommt der Artikel einem spanisch vor, vertieft man die Recherche (über andere Publikationen, oder Google) bis man das Gefühl hat einigermaßen zu verstehen was vorgeht. Dabei sind die Publikationen völlig irrelevant. Ich lese nicht mehr den Spiegel, die Welt, die Zeit oder das Humbuger Käseblatt ... ich suche nach Nachrichten zu einem Thema. Jede der vorgenannten Publikationen mag in der Trefferliste sein (oder auch nicht), aber eben ebenso ein Wikipedia-Eintrag, der Blog irgendeines abgedrehten Verschwörungstheoretikers oder eine offizielle Regierungsverlautbarung. Ich bin nicht mehr zufrieden mit wenigen oder gar nur einer einzigen Publikation -- deren Weltblick ist mir zu eingeschränkt.

Und wie mir geht es vielen, vielen Leuten die ernsthaft Nachrichten lesen möchten. In meinem Bekanntenkreis ist praktisch jeder so drauf; die Methoden unterscheiden sich ein wenig, aber im Prinzip denken alle so. Und da liegt auch das Problem des "Rettungsankers". Ich zahle nicht einzeln für das Humbuger Käseblatt. Punkt. Nicht mal 10 ct/Monat. Auch nicht für SPON, wobei ich mich dort relativ oft herumtreibe. Schon gar nicht für "Blöd". Ich wäre willens, eine Art "Flatrate" (so die in einem vernünftigen Rahmen bleibt) zu bezahlen, wenn ich dafür "alles" bekomme, soll heissen, nicht nur die Erzeugnisse eines einzelnen Verlagshauses, sondern zumindest alle großen Online-Publikationen samt ihrer Archive bis zurück zur Bibliothek von Alexandria. Ich bin keinesfalls willens, mich bei x Publikationen einzeln anmelden zu müssen, und mich womöglich noch mit verschiedenen Online-Bezahlsystemen auseinandersetzen zu müssen. Jede Publikation, die das von mir erwartet, überschätzt ihre eigene Wichtigkeit maßlos und ist "raus". Da sehe ich mich trotz potentiellen Qualitätssturzes dann lieber bei der "Umsonst"-Fraktion um, die es weiterhin geben wird. "Flatrate", Single-Sign-On und EIN Zahlsystem, und ich wäre dankbar wenn das nicht freaking PayPal wäre (don't get me started). Alles andere: danke, aber nein danke. Egal was die Herren Murdoch und Döpfner rauchen und wovon sie Nachts träumen. Das wäre mir, oh, sagen wir mal etwas in der Größenordnung von 15€ / Monat wert. Das reicht nicht um das Angebot zu erhalten? Dumm das; dann dünnt sich das Angebot eben aus; wie gesagt: weder Publikationen noch Verlagshäuser haben irgendeinen intrinsischen Wert. Mehr Kohle gibts nicht. Vielleicht landen wir dann bei einer relativ kleinen Anzahl Publikationen, die wenigstens alle wieder guten Journalismus machen.

Das heisst, ich bin die falsche Kundschaft für die Ideen von Döpfner & Murdoch. Ich habe auch kein IPhone, werde mir vermutlich auch keins anschaffen, und ob es da irgendwelche Springer-Apps gibt, ist mir egal. Und ich habe den leisen Verdacht, dass es die Kundschaft für deren unausgegorenen Ideen auch nicht gibt -- was dann heissen würde, dass der Abgrund immer näher kommt und ihre Zeit tatsächlich vorbei ist. Naja, warten wir ab ob sie einen Fallschirm dabei haben <Popcorn rausholt>.